DER AUFSCHWUNG DES IBERISCHEN WEINBAUS

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann die Situation des Weinbaus sich zu verbessern, allerdings mit enormen Ertragsschwankungen. Mit der Reblaus hatte sich das Weltpanorama des Weinbaus verändert. Übelriechende Weine von Hybridrebsorten und die Erzeugung von Kunstwein waren eine ernstzunehmende Herausforderung der vom Einbruch der Produktionsmärkte strapazierten Großkellereien. Viele erlagen der Versuchung, einfach um das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen. Andere hatten Glück und konnten ihre Weinberge vor den „amerikanischen Plagen“ bewahren. Als man die Resistenz der Unterlagsreben und ihre Eignung als Unterlagen für iberische Sorten erkannte, wurde die Verwendung der amerikanischen Sorten verboten und Gesetze geschaffen, um klarzustellen, was Wein ist.

Spanien. Französische Weinhändler importierten von wo immer sie konnten Wein aus Europäerreben, von denen es im Frankreich der 1870er und 80er Jahre zu wenig gab. Daraufhin hatten Gebiete wie das Rioja gewaltig in Neuanlagen investiert. 1885/86 brachen aber trotzdem die Weinpreise von 25 auf 13 Peseten ein, weil der Handel das Strecken der Weine den hohen Marktpreisen vorzog. Dabei wurde die Toxizität mancher Additive übersehen und zu diesem Zweck auch billiger deutscher Industriealkohol eingeführt. So kam es, dass zm Beispiel in Palencia Wein für 12 Reales gekauft und dann für 11 Reales (dennoch sicher mit Gewinn) wieder verkauft werden konnte. Mit Importsteuern auf Alkohol reagierte der Staat. Letztendlich war dieses Vorgehen dem Ruf des spanischen Weines wenig förderlich (Cañin, 1998: 429). Besonders betroffen von der Überproduktion war Rioja in den Jahren 1891 bis 1904, dann kam mit der Phylloxera die nächste Krise ins eigene Gebiet.

In Anbetracht der Situation zahlloser kleinen und mittelgroßer Weinerzeuger, die zum einen durch die „amerikanischen Plagen“, zum andern aber durch den Handel in Existenznöte kamen, verbreitete sich auch in Spanien die Idee der Winzergenossenschaften. Die ersten entstanden in Barberà 1903, in Verdell 1905 (beide in Katalonien), dann folgte Navarra. Nach dem Zweiten Weltkrieg umfasste die Produktionskapazität der Genossenschaften schon 28 Millionen Hektoliter.

Besonders betroffen war Castilla y León, dessen Weinbau sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr erholen konnte, da es nach Mehltau und Reblaus in den 1930er Jahren auch noch unter einer starken Trockenperiode und Arbeitskräftemangel litt. Erst nach dem Bürgerkrieg mit der Gründung neuer Kooperativen und industrieller Kellereien erlebten die altbekannten Weinbauregionen einen Aufschwung zu alter Größe (Huetz, 2000: 16).

Eine andere Strategie infolge der „amerikanischen Plagen“ war die Gründung regionaler staatlicher Forschungsanstalten. Schon 1880 wurden fünf Wein‑ und Weinbaustationen gegründet (Zaragoza, Tarragona, Valencia, Sagunto und Málaga). 1888 wurden weitere Stationen der öffentlichen Hand in Alicante, der Unidad Real Logroño und Zamora gegründet, weiterhin wurde die nationale önologische Anstalt an die Escola General de Agricultura von Madrid angegliedert. Es folgten einige andere Institutionen, um die Probleme im Weinbau zu bekämpfen.

Ein interessantes Zeichen für die Tendenz in Iberien, temporäre Probleme von Staatsseite zu lösen, scheint die Institutionalisierung derselben zu sein. Cañon (1998: 444) zitiert lapidar Huez de Lemps, den er als einen der besten Kenner der spanischen Weinhistorie kennt: Während Frankreich, das am stärksten von der Phylloxera betroffen war, sofort mit der Pfropfung (allerdings auch mit der Alternative der Hybridreben) die Epidemie stoppte, wartete man in Iberien endlos lange mit den konkreten Gegenmaßnahmen. Der Bürgerkrieg in den kritischen Jahren des Wiederaufbaus (1936–1939) war in Spanien sicher ein Problem, er sorgte aber danach für klare Verhältnisse. Die weinbauliche Ausrichtung zum Markt hin hatte in Spanien früher begonnen. Schon 1947 wurde Spanien zur Monarchie, auch wenn Prinz Juan Carlos erst 1969 von Franco zu seinem Nachfolger ernannt wurde. Durch das Abkommen mit den USA, den Beitritt zur UNO und den Aufbau eines breiten Tourismus öffnete Spanien viel früher seine Grenzen als Portugal, das unter Salazar eine Isolationspolitik betrieb.

In Spanien war im Bereich der Wirtschaft der Einfluss des Staates weniger ausgeprägt. Auch später beim EG‑Beitritt waren die wirtschaftlichen Befugnisse des Landwirtschaftsministeriums an dezentrale „Autonomien“ delegiert. In Katalonien, Rioja, Ribeira del Duero und Jerez hatten sich von Anfang an bedeutende regionale Wein‑kellereien gebildet, bisweilen waren dies Niederlassungen von inzwischen internationalen Konzernen. Über interprofessionelle Organisationen konnte die Privatwirtschaft sich bei der Entscheidungsfindung zu den Strategien mit engagieren. In La Mancha, der Estremadura und anderen Gebieten konnten starke Genossenschaften die Interessenvertretung der Betroffenen wahren.

 

In Portugal folgten im neuen Jahrhundert den unzureichenden Erntemengen von 5–6 Millionen Hektoliter sehr große Ernten mit 10, 12 und gar 14 Millionen Hektoliter (Boletim do Banco Nacional Ultramarino, 1966: 33). Offensichtlich wurden die alten Qualitätsrebsorten und viele regionale Sorten beim Wiederaufbau zunächst durch Vinifera‑stämmige resistente Hybriden ersetzt. Trotz aller Anstrengungen der öffentlichen Hand musste der Weinbau bis zur ersten Erholung am Jahrhundertende und zum Neuanfang einen sehr schweren Weg gehen.

Natürlich stand Portugal dem ungeliebten Nachbarn im staatlichen Aufbau von Demonstrationsweinbergen nahezu aller Sorten der westlichen Welt sowie Schaffung vom Ämtern und Institutionen in nichts nach. Aber nach den politischen Experimenten gerade in dieser ebenfalls weinbaumäßig kritischen Phase gab es eine zentrale Kraft, die von einem starken Wirtschaftswissenschaftler geleitet wurde, der die Politik nach pragmatischen Kriterien bestimmte.

In Anbetracht der Krise wurde in den 1920er Jahren das Genossenschaftswesen durch den „Estado Novo“ gefördert, 1933 wurde der Weinbauverband von Zentral‑ und Südportugal gegründet, um den Markt besser regulieren zu können. Aus diesem Verband entstand später die Junta Nacional do Vinho (1937, JNV), die 1986 in das Weininstitut (IVV) umgewandelt wurde.

Förderlich für den Aufschwung war der beständig wachsende Export in die Kolonien (1965: 1,3 Millionen Hektoliter). Der dynamische Aufbau des Genossenschaftswesens begann zunächst mit 56 Genossenschaften, zu denen in den 60er Jahren weitere 34 hinzukamen (bis zu über 50 % des Weines wurden exportiert). (Boletim do Banco Nacional Ultramarino, 1966: 56) Bedauerlicherweise führte hierbei eine protektionistische staatliche Einflussnahme durch Subvention des Endproduktes anstelle von Berufsausbildung und Vermarktungshilfen zu qualitativen Einbußen. Der Umsatz erlebte zwar 1962 einen Höhepunkt mit 15 Millionen Hektoliter (Boletim do Banco Nacional Ultramarino, 1966: 35), aber zu einem wesentlichen Teil waren die Weine mehr auf Massenertrag ausgerichtet – mit Konsequenzen, die bis in die heutige Zeit nachwirken. Mit der „Garantie des guten Endes“ war der Erzeuger mit hohen Destillationsgarantien vom Staat abgesichert und er brauchte keine besondere Rücksicht auf die natürliche Nachfrage zu nehmen. Ganze Weinbaugebiete optierten für extrem produktive Sorten, wie die weißen Sorten Seminario, Boal Alicante, Diagalves sowie die Neuzüchtungen der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt (ertragsselektionierte intraspezifische Hybriden wie die Seara Nova) und die roten traditionellen Sorten Moreto, Marufo, Rufete, Tinta Carvalha sowie ebenfalls neue Sorten der Forschungsanstalt. So wandten sich ganze Weinbaugebiete den Massenträgern zu. Diese wurden wiederum, wie zuvor die Hybridsorten, zu einem schweren Vermächtnis.

 

Da beide Iberische Staaten nicht aktiv in den Zweiten Weltkrieg eintraten, ist es eigentlich verwunderlich, dass sie die Nachkriegschance nicht zur Internationalisierung ihrer Weine auf breiter Basis nutzen konnten. Zwar engagierten sich die ersten „viticultural global players“ (Heublein/Connecticut und Dryfuss/New York) mit Beteiligungen oder Festverträgen in portugiesischen Kellereien, kleine und mittlere Betriebe sowie Genossenschaften blieben jedoch in der Regel beim Export außen vor. Ein wesentlicher Faktor waren sicher die Importbarrieren der Staaten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die sich in den 60er Jahren weiter abschotteten; Ursache waren Probleme mit dem Wiederaufbau der kriegsgeschädigten internen Strukturen ihrer Mitglieder und der Sicherstellung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Deshalb stand zunächst der EG‑interne Warenaustausch vor dem Wunsch nach Liberalisierung.

Damit aber entstand in Iberien ein neuer Alptraum: Die Überproduktion. Fehlende Industrialisierung in Verbindung mit mangelnder Modernisierung der Landwirtschaft führte zum dritten „Exodo rural“ der späten 50er bis Ende der 60er Jahre. Dies zwang sechs Millonen Spanier und hundertausende Portugiesen zur Auswanderung.

Zunächst auf Landesebene, später sogar auf EU‑Niveau geisterte ein neues Gespenst durch die Weinmärkte. Staatliche Institutionen mit einem Beamtenapparat in Kontrolle, Forschung und Verwaltung wie eigenen Ministerien, die durch die „amerikanischen Plagen“ ins Leben gerufen worden waren, fühlten sich als Gewissen der Weinwirtschaft. Mit Unterstützung durch auf Wahlstimmen bedachte Politiker begannen sie, sich der sozialen Not anzunehmen, indem sie mit Regularien und Zuschüssen für die „Vernichtung der Überschüsse“ sorgten – die dadurch gemäß den Gesetzen des Marktes immer größer wurden. Bei der Destillation zählten nur die Menge und der Alkohol. Dadurch wurden Massenträger oder Edelrebsorten angepflanzt, die von den Klonzüchtern in erster Linie nach dem Ertrag und nicht nach den önologischen Ergebnissen selektioniert worden waren (Malvasia rei/Palomino, Neuzüchtungen wie Seara Nova, Alicante branco, französische Hochleistungs‑Carignan‑ oder ‑Grenache‑Klone, um nur einige Beispiele zu nennen). In Portugal gab es ein eigenes „Seminario“ (Malvasia rei)‑Gebiet, das nahezu ausschließlich auf Destillation produzierte. Dies ging so weit, dass ein Alkoholbeimischungszwang zum Treibstoff gefordert werden musste.

 

Spanien war in den 1990er Jahren mit 1.224.000 Hektar Europas größtes Weinbauland (1996). Dies entspricht fast einem Viertel der EU‑Anbaufläche. Allerdings befinden sich die Weinbauflächen hier meist auf armen Böden und es besteht kaum Bewässerungsmöglichkeit. Die reichen Böden sind anderen wichtigen landwirtschaftlichen Kulturen vorbehalten, wie Getreide, Oliven oder Zitrusfrüchte. Über 55 % der Weinberge liegen in 80 D.O.‑Qualitätsweingebieten.

Bei den Rebsorten dominiert die regionale Sorte Airén (La Mancha) mit 36 %, gefolgt von Garnacha mit 14 % sowie Monastrell und Bobal mit jeweils 8 %. Die bekannten Qualitätsrebsorten Palomino und Tempranillo nehmen mit jeweils 4 % überraschenderweise nur relativ geringe Anbauflächen ein. Bei vielen der in diesem Buch als prioritär erachteten Sorten klaffen Anbaufläche und Ranking der Weinqualität noch weit auseinander. Auffallend ist die Bedeutung der Tafeltrauben mit fast 40.000 Hektar in Spanien, während Portugal diese meist aus Spanien bezieht.

Der Sherry (aus Jerez de la Frontera) mit den Rebsorten Palomino, Pedro Ximénez und Zalema hatte eine dem Portwein vergleichbare internationale Position erworben, es folgten Rioja (Aragonez, Garnacha und Cariñena) und der Cava (Xarello, Macabeu, Parellada), das Weinbaugebiet Ribeira del Duero (Tempranillo, Graciano, Garnacha), später auch Rueda mit der weißen Rebsorte Verdejo und Rías Baixas mit dem Albariño. Castilla‑La Mancha konnte mit der Rebsorte Airén als preisgünstiger Grundwein für den Export als Fasswein und Flaschenwein eine wichtige Position im Export erreichen. Alle diese Weine eroberten in Europa durch ihr hervorragendes Preis‑Leistungs‑Verhältnis wichtige Marktanteile.

Núria Puig (2000: 243) widmet sich mit einem Artikel der spanischen Situation: Das Problem war die Überschussproduktion, auf welche die Mittelmeerländer mit Destillation reagiert hatten. Das 1924 in Paris gegründete Office International du Vin sah dagegen seine Aufgabe in der Qualitäts‑ statt Mengenförderung. Gleichzeitig wuchsen dank des „goldenen Zeitalters“ der „garantie du bon fin“ die Weinbergflächen gewaltig. Das Problem wurde in den Kriegsjahren und während des spanischen Bürgerkriegs verschleppt, um danach zu eskalieren. Der Rückgang des Inland‑Weinkonsums der Iberischen Staaten, vor allem aber auch des Branntweinkonsums und Exports beschleunigte die Schieflage. In Spanien kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Weinindustrie und der Verwaltung (Puig, 2000: 245). Die Regierung ging ernsthaft an das Problem heran. Abgegrenzte Herkunftsbezeichnungen, Ausrichtung der Weinbauanstalten auf Qualitäts‑verbesserung, Anreiz für eine Segmentierung des Marktes durch Produktdifferenzierung und Kontrolle der Anbaubeschränkungen in der Praxis waren erste Schritte. Es folgten Gesetze zum Konsumanreiz, und schließlich wurde der Export als Ventil aus der Misere gefördert. Dabei kamen der Wegfall der Maghreb‑Staaten als Weinlieferanten für Frankreich und die Öffnung der EU für Drittlandsexport ab 1969 Spanien entgegen, dessen Kellereien zunächst über den Preis in die Exportmärkte drängten. Protagonistische Unternehmer wie Torres, die großen Cava‑, Rioja‑ und Sherry‑Häuser hatten dank firmeninterner Forschung zur richtigen Rebsorte gefunden und damit den Weg zur Weinqualität gezeigt.

Ab Ende der 70er Jahre begann dann das Wein‑Exportwunder Spaniens. Ein erster Lichtblick war der Golf von Mexiko. Deutschland mit seinem enormen Bedarf an Grundweinen für die Schaumweinproduktion und als Deckrotwein für die eigenen hellroten Weine sowie eine in den 70er Jahren aufkommende Bodega‑Romantik als Reminiszenz an den zunehmenden Spanientourismus waren Anfänge, die bald globales Ausmaß annahmen.

Portugal folgte zögernd. Sein Weinabsatz schwächelte wegen des Verlustes der Kolonien, der Wirren um die Demokratisierung und aufgrund des nachlassenden portugiesischen Rosé‑Exportwunders.

Mit der EU‑Assoziierung Anfang der 80er Jahre öffneten sich die Handelsgrenzen grundlegend. Schon bald verschwanden mit der Uruguay‑Runde der GATT (1986–1994) und dem Marrakesch‑Abkommen die letzten Handelshemmnisse gegenüber Drittländern.

 

Mit dem EG‑Beitritt Mitte der 80er Jahre sollte langsam das Denken von Staat und Privatwirtschaft einen Wandel erfahren. Aber die alten Strukturen wie auch die Beharrlichkeit der Verwaltung und selbst das Verbleiben mancher privater Persönlichkeiten in alten Denkschemen ließen kein Wunder von heute auf morgen erwarten. Hinzu kam, dass der relativ wenig marketingorientierte Berufsstand immer wieder von den Regeln des freien Marktes abgelenkt wurde. Letztlich wiederholte die EG mit der unglücklichen „Garantie des guten Endes“ den Fehler der früheren Nationalstaaten. Bedingt durch die marktwidrigen Fehlentwicklungen kamen die Märkte nicht ins richtige Gleichgewicht. Den nicht‑weinbautreibenden Staaten der EG, insbesondere England, den Niederlanden und Schweden, war auf Dauer diese finanzielle Belastung des EG‑Haushalts nicht mehr zuzumuten. Maßnahmen zur Verlagerung der Weinberge in arme Regionen mit weniger fruchtbaren Böden, Anbaubeschränkungen mit Kataster ebenso wie immer mehr Marktentlastungsmaßnahmen war die verzweifelte Reaktion. Es vollzog sich eine Marktspaltung in arm und reich. Insbesondere das Genossenschaftswesen hatte, zum Teil bis heute, unter schwerwiegenden Folgen zu leiden. Während bei Weinen aus anerkannten europäischen Qualitätsgebieten, wie Burgund, Bordeaux, Champagne, Barolo, Barbeira, Rioja, Portwein, Sherry und Cava, um nur einige zu nennen, die Preise sich oft zu astronomischen Margen entwickelten, lagen die Tafelweine immer nur knapp über dem Destillations‑Interventionspreis und waren in qualitativer Hinsicht kaum vermarktungsfähig.

Portugal war in den 70er und 80er Jahren im Vergleich zu Spanien in einer schwierigen Marktposition. Die Abaufläche ging von 380.000 Hektar in den 60er Jahren auf 230.000 Hektar um die Jahrtausendwende zurück. Der Rebsortenspiegel änderte sich grundlegend dank der veränderten Marktverhältnisse und Vinifikationstechnologie. Beim Portwein wurde durch ein flexibles System die Angebotsmenge immer an die Nachfrage angepasst, seine Qualität wurde streng kontrolliert und mit den Rebsorten Touriga Nacional, Touriga Franca (damals Francesa), Tinta Roriz (Tempranillo), Tinta Barroca und Tinto Cão hoch gehalten. So konnte er im Ausland weiterhin erfolgreich ein hochpreisiges Segment einnehmen. Beim Tafelwein‑Erfolg der 60er Jahre, dem lieblichen (süßen) perlenden Rosé (Rebsorten Alvarelhão, Camarate, Marufo, Rufete, Malvasia Preta, Moreto), zogen sich die amerikanischen Shareholder und Distributeure zurück und der Wein verlor seine Vormachtstellung.

Auffallend war zu dieser Zeit der Rückgang der klassischen Handelsmarken roter Tafelweine ohne geographische Zuordnung zugunsten herkunftsorientierter Weine. Überraschend kletterte an ihrer Stelle das frisch abgegrenzte Weinbaugebiet Alentejo mit den Rebsorten Trincadeira, Castelão, Aragonez (Tempranillo), Alicante Bouchet und Alfrocheiro in der Gunst der Verbraucher an die erste Stelle. Auch die aus autochthonen Rebsorten hergestellten Qualitätsweine anderer Regionen konnten sich profilieren. Vor allem die Tafelweine des Douro, die aus den Portweinsorten gekeltert wurden, konnten an Bedeutung gewinnen.

Beim Weißwein hatte zunächst nur der Vinho Verde mit den Marken führender Hersteller eine nennenswerte Position. Die Rebsortenfrage wurde erst mit der Dominanz der Sorten Loureiro und Alvarinho ein ernsthaftes Gesprächsthema – und damit auch dort der nationale und internationale Aufstieg marktorientierter Güter. Der Markt erfuhr eine deutliche Trennung in einige wenige große, exportorientierte Unternehmen, bisweilen sogar mit nicht‑portugiesischer Kapitalbeteiligung einerseits und traditionelle, meist exportmarktfremde Weingüter andererseits. Die offizielle staatliche Forschung und Innovationspolitik sah – noch lange nach Salazar und der sogenannten Revolution – in der Weinwirtschaft mehr ein Alibi, um sich dann hauptsächlich um kurrikulare und internationale weinwissenschaftliche Fragen zu kümmern. Später standen regionale und universitäre staatliche Forschungseinheiten mit zentralen staatlichen Institutionen im Wettbewerb. Es wurde aber kaum eine marktorientierte, konzertierte Innovationspolitik betrieben – zu einer Zeit, als in anderen europäischen Weinbauländern der Weinexport, meist vom Staat stark gefördert, schwungvoll aufblühte.

^