Der iberische Weinbau angesichts des Klimawandels

Die gegenwärtigen regionalen und globalen Klimamodelle weisen für die nächsten Jahrzehnte auf eine Verschärfung der weinbaulichen Bedingungen hinsichtlich der Temperatur und Niederschlagsmenge hin, auf die man sich heute schon einstellen sollte.

Der Weinbau stellt für die Iberische Halbinsel eine Tradition von wesentlicher wirtschaftlicher, kultureller, landschaftlicher und umweltmäßiger Bedeutung dar, die erhalten werden muss. Bei den Einflussfaktoren für die Herstellung hochwertiger Weintrauben ist das Klima von herausragender Bedeutung. Damit bildet eine eventuelle Klimaänderung eine zusätzliche Herausforderung für den gegenwärtigen Weinbau.

In der Tat weisen die Klimadaten der Vergangenheit auf einen signifikanten Temperaturanstieg von 0,6 °C gegenüber dem 19. Jahrhundert hin. Dieses Phänomen betrifft vorrangig den Süden Europas, wo man in den kommenden Jahrzehnten insbesondere im Sommer einen Anstieg der Lufttemperatur von 2,2–5,1 °C und ein Niederschlagsdefizit von 4–27% prognostiziert. Ein anschauliches Beispiel aus dem Weinbaugebiet Douro: Bei einer der wichtigsten Sorten, dem Aragonez (Syn. Temperanillo, Tinta Roriz), haben sich in den Monaten April bis Oktober die Temperaturen von ihrem traditionellen Optimum von 16–19 °C auf nunmehr 17–20 °C erhöht. Nach vorliegender Studie kann nach dem Klimaszenario A1B von einem Anstieg der Temperatur um 2 °C während der Wachstumsperiode der Rebe ausgegangen werden, was wiederum bedeuten würde, dass die Sorte in einem bedeutenden Teil des Anbaugebietes, insbesondere im Douro superior, nicht mehr klimakonform wäre.

Hinsichtlich des augenblicklichen Treibhauseffektes, gemäß dem im internationalen Abkommen zum Klimawandel (IPCC) festgeschriebenen CO2‑Ausstoß, geht man unter Berücksichtigung der prognostiziertenBevölkerungszahl und wirtschaftlichen Entwicklung bei einem Gleichgewicht aller Energiequellen (fossile und nicht fossile) im 21. Jahrhundert von einer Erhöhung des CO2‑Ausstoßes von 367 ppm (Jahr 2000) auf 703 ppm aus. Es existieren andere Klimaszenarien, wie zum Beispiel B1, das im Vergleich zu A1B relativ positiv ausfällt, da es eine geringere CO2‑Konzentration prognostiziert, oder A2, das eine pessimistischere Vorschau liefert.

Diese Klimaänderungen haben Auswirkung auf das Wachstum und die Entwicklung der Reben und schlagen sich infolgedessen bei der Weinqualität nieder. Darüber hinaus können extreme Klimaereignisse (Hagel, Sturm, Überschwemmung) zu schweren Produktions‑ oder Qualitätsverlusten führen. Die Vorverlegung des phänologischen Zyklus mit entsprechend früherer Ernte, Eindringen neuer oder Intensivierung des Befalls durch bekannte Schädlinge und Pilzerkrankungen wie auch eine erhöhte Instabilität bei Ertrag und Qualität des Weines können die Folgen sein.

Die bioklimatischen Indizes

In Hinsicht auf die Wechselbeziehung zwischen den Klimaanforderungen der Rebe und deren vegetativem Zyklus konnten verschiedene bioklimatische Indizes entwickelt werden. Diese sind ein wichtiges Instrument zum Ermitteln der Eignung von Weinbauregionen für eine kostendeckende Anpflanzung bestimmter Rebsorten.

Eine der ersten dieser Kennzahlen war der Index von Winkler, die Summe der „aktiven“ Temperaturen (dies ist die Tagesdurchschnittstemperatur, von der die Aktivtemperatur von über 10 °C abgezogen wird) während der Monate April bis Oktober. Dieser Index war zunächst für Kalifornien geschaffen worden, wurde aber bald auch in anderen Regionen angewandt, insbesondere in Europa. Eine andere thermische Kennziffer ist die Nachtkühle in der Reifephase (September). Die Schwankungsbreite der Temperatur zum Abschluss der Reife trägt wesentlich zur Qualität des Weines bei, zum Beispiel durch Förderung der Anthocyan‑Synthese.

Der thermische Index von Hüglin (IH) ist eine weitere Kennzahl mit dem Vorteil, dass zusätzlich zur Lufttemperatur die Tageslänge berücksichtigt wird, die ein weiterer entscheidender Faktor für die Qualität der Traube ist. Er wird für die Periode April bis September mit einer Formel berechnet, in der die Maximaltemperatur stärker gewichtet wird als die mittlere Temperatur. Der Index von Hüglin unterscheidet sechs Weinbau‑Klimastufen von sehr frisch (IH < 1.500) bis sehr warm (IH < 3.000). Hohe IH‑Werte gestatten die Anpflanzung von spätreifenden, niedrige von frühreifenden Sorten. Der Wert von 1.400 wird als Mindestwert für die Weinbaueignung angesehen.

Der Index für Trockenheit basiert auf der Feuchtigkeitsbilanz von Riou und berücksichtigt die Feldkapazität des Bodens zu Wachstumsbeginn (geschätzt auf 200 mm), das Evaporationspotenzial und die Niederschlagsmenge. Dieser Index stellt eine komplexe Kennziffer dar, der die verschiedenen Faktoren der Trockenheit berücksichtigt.

Die weinbaulichen Großklima‑Regionen in Anbetracht des Klimawandels

Im Folgenden wird versucht, den spezifischen Einfluss des Klimawandels in Hinsicht auf den iberischen Weinbau zu bewerten. Hierzu wurden vier bioklimatische Kennzahlen verwendet:

1. die klimaaktive Periode des Jahres (Summe der Tage mit einer Tagesdurchschnittstemperaturvon über 10 °C) PFA

2. Index von Hüglin IH

3. Index für nächtliche Abkühlung IF

4. Trockenheitsindex IS

Alle Kennzahlen wurden berechnet für folgende Zeitperioden: Nahe Vergangenheit (1960–2000), nahe Zukunft (2041–2070) und fernere Zukunft (2071–2100). Hierzu wurden die täglichen Niederschlagsmengen und die täglichen Höchst‑ und Tiefsttemperaturen auf Basis des regionalen Rechenmodels COSMO‑CLM verwendet. Dieses in Deutschland entwickelte Modell entspricht einer räumlichen Auflösung von 0,165°Länge und Breite (Raster von 18 km).

Die Resultate der mittleren Abweichung der drei Zeitperioden sind in Abb. 169 dargestellt. Üblicherweise bezeichnet man ein Gebiet als weinbaugeeignet, wenn die PFA größer als 182 Tage ist. Dies betrifft praktisch die gesamte Iberische Halbinsel, abgesehen von den Bergregionen, wie zum Beispiel den Pyrenäen. In der Periode 2071–2100 liegt ein erhöhter PFA‑Wert vor, der ganz Iberien betrifft und die Entstehung einiger neuer potenzieller Weinbauregionen im Norden prognostiziert (Gebiete in hoher Lage). Zusammenfassend kann die Möglichkeit einer Ausdehnung des Weinbaus in neue Gebiete im Norden Spaniens, die bisher zu kalt waren, gesehen werden, während im Gegenzug im Süden Portugals Dormanz‑Probleme mit qualitativen Konsequenzen auftreten können.

Das mittlere Muster des IH entspricht generell den Ergebnissen der PFA, jedoch ermöglicht es eine genauere Abgrenzung der Weinbauzonen (Abb. 169). Dieser Index zeigt generell hohe Werte, was in diesem Teil Südeuropas dem Weinbau zugute kommt und Weinbaugebiete von hohem Ansehen zur Folge hat (Douro‑Tal, Alentejo, Andalusien, La Mancha).

Trotz der  einer deutlichen Koinzidenz der relevanten Kennzahl IH mit den Weinbaugebieten lassen sich daraus nur begrenzt Schlüsse in Bezug auf das Klimamodell ziehen, da Begrenzungen bei der Erfassung der genauen Klimadaten und dadurch mit der jeweiligen weinbaulichen Eingung der Gelände besteht.  In der Zukunft muss man davon ausgehen, dass bestimmte Regionen sich in Richtung auf eine wärmere Klassifikation umwandeln werden (Abb. 169).

Diese prognostizierte Veränderung ist eine große Herausforderung für den Weinbau und kann zur echten Bedrohung für die Branche werden, falls nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Die mittlere Abweichung des IF garantiert im Norden der Halbinsel im September sehr frische (IF ≤ 12 °C) und frische Nächte (12 °C < IF ≤ 14 °C), was bedeutet, dass extrem warme Nächte in dieser Zone zum Reifeende hin relativ selten vorkommen (Abb. 169).  Das heißt, in der Zukunft werden niedrige Lagen einen signifikanten Temperaturanstieg erfahren, was sich wiederum negativ auf die Qualität auswirken kann.

Für die gerade vergangene Periode hat sich im Süden der Halbinsel gemäß dem Trockenheitsindex IS eine Klimaveränderung von „gemäßigt trocken“ hin zu „betont trocken“ (Abb. 170) ergeben, während im Nordosten wie in höher liegenden Anbaugebieten vorwiegend die Klassen „halbfeucht“ und „feucht“ erscheinen (die drei oberen Intervalle in der Skala der Abb. 170).

Infolgedessen wird in Zukunft die Weinbaueignung insbesondere für rote Sorten zunehmen. Hier werden Index‑Werte der Klasse „moderate Trockenheit“ (50 ≤ IS < 100 mm)  als geeigneter für Qualitätsweine angesehen. Indessen erzeugt die „betonte Trockenheit“ (DI > 100 mm) einen Trockenstress bei der Rebe, der zu unausgeglichenen Weinen mit unerwünschten Merkmalen führen kann (Krautton, geringe Säure, extremer Alkohol). Die Zusatzbewässerung wird in diesen Gebieten unabdingbar, trotz der generellen Schwierigkeit Wasser in solcher Lage zu finden, insbesondere in hohen Berglagen. In der Zone A1B, die den größten Teil Iberiens umfasst, wird die Trockenheit zunehmen, insbesondere im portugiesischen Landesinneren. Schließlich werden sich einige Regionen als zu heiß und trocken für den Qualitätsweinbau herausstellen.

Zusammenfassung

Trotz der Unsicherheiten einer langfristigen Klimavoraussage kann auf Grund der vier untersuchten Klimakennzahlen von einer zukünftigen grundlegenden Veränderung der weinbaulichen Landschaft in Iberien ausgegangen werden. Auf der einen Seite werden neue Weinbaugebiete (über 600 m Höhe) mit besseren Bedingungen als den heutigen im Nordosten und an der Küste entstehen. Aber insgesamt gesehen überwiegen, insbesondere im Süden der Halbinsel, zukünftig die nachteiligen Einflussfaktoren in Hinsicht auf Menge und Qualität des Weins, bedingt durch Trockenstress und extreme Hitze. Dies stellt nicht in Frage, dass auch bestehende Weinbaugebiete in Portugal und Spanien an der Schwelle zu idealeren Produktionsbedingungen für Spitzenweine stehen. Um das bisherige Qualitätsniveau halten zu können, fordert dieser Klimawandel sowohl entschiedene kurzfristige Maßnahmen (wie Sonnenschutz und Bewässerung) wie auch langfristige Strategien (Unterlagenwahl, Verlagerung  der Weinberge in höher liegendes Gelände). Abschließend sei bemerkt, dass in die vorliegende Studie nur klimatische Daten Eingang fanden, was nicht heißt, dass der Faktor Boden nicht ebenfalls zur Bewertung der Eignung für den Qualitätsweinbau berücksichtigt werden muss.

^