Vermehrungstechniken für Reben in Portugal

Augusto Peixe (Universidade Évora), Hans Jörg Böhm

Nachdem die Rebe seinem Wesen nach eine Liane ist, war ihre Vemehrung nie ein Problem. Durch Einleger, oder Bewurzelung von ausgereiften Holzabschnitten wurde die Vitis vinifera bis zum Einfall der Reblaus vermehrt. Als später das Edelreis im Keilschnitt oder mit englichen Kopulationsschnitt auf Unterlagssorten veredelt wurde, passte sich die Rebvermehrung ohne grössere Probleme an

Die Rebe besitzt zwar eine hohe Anpassungsfähigkeit an alle Vermehrungstechniken und garantiert damit das Überleben ihrer Art. Dennoch ergaben sich mit dem Auftreten der Reblaus wesentliche Veränderungen bei der Vermehrungstechnik.

Bei der Anlage eines neuen Weinbergs werden im ersten Jahr Unterlagshybriden am definitiven Standort des zukünftigen Weinbergs gepflanzt, die dann im zweiten Jahr mit Edelreisern der gewünschten Vitis vinífera Sorte veredelt werden.

Die Verwendung von Unterlagen ist wegen ihrer Reblausresistenz unabdingbar notwendig. Dies führte zu einem neuen Berufsstand der Rebpflanzguterzeugung. Eine grosse Anzahl dieser Unternehmen entstanden im XX Jahrhundert in Portugal, viele davon befinden sich in der Gegend von Pó/Bombarral, wo ausgezeichnete Umweltbedingungen (Boden und Klima) zur Bewurzelung und Produktion von Unterlagen bestehen.

Das Veredeln der Rebe hatte seinen Ursprung jedoch nicht mit dem Reblausbefall. Vielmehr wurde diese Technik schon lange vorger angewandt um die Wüchsigkeit der Pflanze zu steuern oder um die Sorte zu wechseln. In seinem Tratado Theorico e Prático da Agricultura das Vinhas, berichtet Gyrão. A. (1822) über diese Praxis: “…Es gibt ein besonders interessantes und auffallendes Phänomen im Weinbau; mit dieser Technik werden schwächliche Reben verbessert, man kann schlechte Sorten in gute verwandeln oder unfruchtbare in fruchtbare.“

Beinahe zwei Jahrhunderte später wird diese besondere Eigenschaft der Rebe wiederentdeckt. In den 90er Jahren bestand Überschuss an Weisswein, es wurden voll im Ertrag stehende Anlagen auf rote Sorten umveredelt. Interessanterweise wurde hierbei eine kaum gebräuchliche Technik angewand, indem der Rebe direkt am produzierenden Stamm ein Augen der neuen Sorte einpflanzt wurde. Über diese Art der Veredlung schrieb Alarte, V. (1712): “…Die dritte Methode gemäss der Autoren nennt sich “Augenveredlung” ich halte sie für lächerlich… sie sagen, wenn das Holz dicker wird und das Auge auszutreiben beginnt, dann schneidet man das Auge vorsichtig mit einem Federmesser so, dass ein Stückchen Holz mit in die andere Pflanze, bei welcher ein entsprechendes Loch vorbereitet wurde, eingebracht wird.“

Ungeachtet dieser Meinung ist die zuvor beschriebene Augenüberveredlung, bei der Umwandlung von weissen auf rote Sorten mit grossem Erfolg angewandt worden, zumeist von aus vom aus Frankreich kommend Rebveredlergruppen, und mit dem Zusatznutzen, dass ein Teil der Ernte im Veredlungsjahr erhalten blieb.

Der Lohn für die Veredler stieg seit Mitte der 80er Jahre enorm. Zugleich wurden zahlreiche Weinberge neu angelegt, sodass die personelle Veredlungskapazität knapp wurde. Schon damals erkannte man die Notwendigkeit, die alte Pflanzroutine durch die Verwendung von Pfropfreben in grossem Stil zu ersetzen.

So entstand der Markt für Pfropfreben, deren Produktion auf der Technik der Tischveredlung beruht. Es handelt sich dabei um eine mechanische Veredlung in Verbindung mit Vortreiben der Veredlungspartner in Wärme um einen schnellen Schluss der Veredlungsstelle zu erreichen. Die Maschinen mit dem Omega Schnitt hat sich als die hierfür am besten geeignete erwiesen.

Anders als in den übrigen EU‑Ländern haben sich die Rebveredler in Portugal die die Technologie der Propfreben‑erzeugung nicht selbst aneignet. Damit befassten sich zunächst zwei neu gegründete Unternehmen die sich in Douro und Alentejo niederlieβen.

Aber anfangs war es gar nicht so leicht Pfropfreben in Portugals Praxis einzuführen. Fehlende Sorgfalt bei der Bodenvorbereitung, insbesondere fehlende Vorratsdüngung in Verbindung mit unzureichender Bewässerungsmöglichkeit waren Ursachen, die das Überleben der Pfropfreben erschwerten. Häufig reichte die Vegetationszeit dann nicht mehr zur Entwicklung des Wurzelsystems der jungen Reben unter diesen erschwerten Bedingungen um ein Wachstum der Pflanze bis mindestens an den ersten Drath im ersten Jahr zu ermöglichen.

Die Winzer waren ausserdem nicht gewöhnt, im ersten Jahr der Pflanzung schon Viníferas – Reben zu haben. Pflanzenschutz und Stockplege wurde deshalb nur sehr nachlässig betrieben. Im Zusammenwirken aller diese Faktoren entstand eine generelle Unzufriedenheit bei der Verwendung von Pfropfreben für Neupflanzungen.

Inzwischen wurden jedoch die nötigen Kenntnisse erworben Pfropfreben werden im grossem Rahmen verwendet. Ein neues Bewusstsein für die Notwendigkeit der Bewässerung und der Pflege während Vegetationsperiode entstand; darüber hinaus führte die Einführung von Pflanzmaschinen zu einer völlig neuen Einstellung gegenüber diesem Pflanzentyp.

So wie die Pfropfrebe die Pflanztechnik wesentlich veränderte, so hatte sie auch einen wichtigen Sekundäreffekt. Den Winzern wurde die Notendigkei der Nachstufung bewusst; sie wurde vereinfacht. Das frühere Verfahren hatte die Veredlung in Weinbergen zu einem Zeitpunkt erfordert, zu der eigentlich eigenlich schon andere andere Bearbeitungsmethoden möglich waren, was oft zu Fehlstellen führte. Mit Pfropfreben oder zweijährigen Kartonagereben konnte dies umgangen werden. In jiffy‑pots gezogen mit geschützen Wurzeln waren diese eher fähig, mit den im Gelände schon vorhandenen Pflanzen zu konkurrieren; so wurden die zuvor beschriebenen Nachteile der traditionellen Form der Nachstufung verhindert.

Während der zweiten Hälfte des XXten Jahrhunderts, wurde in ganz Europa besonderer Wert auf die Qualität des Vitis spp. Pflanzgutes und seiner klonalen Abkommenschaft gelegt. Dies betraf gleichermassen die Unterlagen wie die Edelreiser. Hierdurch verbesserte sich dort die Qualität der Weinberge. Die Technik der Vírus – Diagnose entwickelte sich fortschreitend und erlaubte die Beschleunigung der sanitäre Selektion der Rebe. Die Technik der Grünveredlung war eine weitere Erleichterung um das “Indexen” (biologischer Virustest) zu beschleunigen.

In Portugal verzögerte sich unglücklicherweise die Ratifizierung der öffentlichen Gesetzgebung zur Erzeugung, Zertifizierung und Vermarktung der Produkte der Rebpflanzguterzeugung bis 1991. Die Qualität der in den 80er Jahren anlaufende Erneuerung der portuguiesischen Weinberge wurde damit in Frage gestellt. Dies ist besonders bedauerlich weil die sehr früh schon vorhandenen zertifizierten Unterlagen mit Edelreisern dubioser Herkunft veredelt wurden.

Ende des XXten Jahrhunderts entstand auch in Portugal jene Aufbruchstimmung die mit der Biotechnologie aufgekommen war. Diese brachte neue Möglichkeiten und Vermehrungstechniken um züchterisch Erbeigenschaften dieser Sorten zu verbessern. Zum einen ist hier die meristematische Triebspitzenvermehrung zu erwähnen die in Verbindung mit Wärmebehandlung neue Wege zur Sanierung virusbefallener Klone brachte und zum anderen die Vermehrungstechnik der somatischen Embriogenese als Grundlage zur direkten genetischen Veränderung des Erbgutes.

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