Marktpolitik

Geschichte: Die Verbesserungen der Marksituation

Traditionelle Strukturen

In der Zeit nach der Revolution und der Einführung des Mehrparteiensystems (1974‑1984) bestanden im Bereich der Weinwirtschaft noch alte Strukturen, durch welche die Anpassung des Angebotes an die Nachfrage durch staatliche Markteingriffe geregelt wurde. Marktpartner waren damals kommerzielle Kellereien und Winzergenossenschaften und es waren kaum kleine selbständige Gutswein‑Anbieter vorhanden. Produktionsüberschüsse wurden im eigenen Netz der regionalen Kellereien Junta Nacional do Vinho (JNV) zwischengelagert oder destilliert.

 

Vorteilhafte Parameter zu dieser Zeit waren:

  • Hoher Verbrauch von 100 Liter pro Kopf
  • Export einiger Rosé‑Markenweine, vor allem in die anglo‑amerikanischen Länder
  • Gute Exportzahlen des Portweins, dank einer eigenen konsequenten Marktstrategie
  • Importmonopol für Weinlieferungen in die Kolonien
  • Destillationsgarantie zu festen Preisen “garantie du bom fins”
  • Geschlossene Grenzen für Weinimport

 

Nach grossen Problemen mit dem politischen Verständnis für Wirtschaftsfragen dieser Zeit erfolgte der Anschluss an die europäische Wirtschaftsgemeinschaft (1984‑1990).

Das neue Paradigma Marktwirtschaft fiel mit der Änderung der geopolitischen Situation und der Öffnung der Grenzen zusammen. Eine neue Lösung musste hierfür gefunden werden.

Die grundsätzlichen Veränderungen der Marktdaten:

  • Rückgang des Weinkonsums auf 50 Liter pro Kopf
  • Einbruch des Rosé‑Weinverbrauchs
  • Wegfall der Kolonien
  • Ende der Destillationszusage und Stilllegung der Lagerhäuser der JNV

 

Mit diesen veränderten Marktdaten erlangte der Qualitätswein neue Aufmerksamkeit. Aber es fehlten hierzu die Voraussetzungen in Form einer modernen Kellertechnik. Der Zustand der meisten Winzergenossenschaften, die für mehr als 50% der Traubenerfassung zuständig waren, sowie auch der meisten privaten Kellereien waren nicht wettbewerbsfähig, und die meisten Betriebe hatten kein Geld für Investitionen. Es gab so gut wie keine selbstvermarktende Weingüter und die Vermarktungsstrategie lag in Staatshand (ICEP). Bereits in den 90er Jahren kumulierte die Situation dadurch zu einer Krise: das Weinangebot und die Vermarktungschancen klafften weit auseinander. Wenn Mitte des 20. Jahrhunderts noch eine Weinbaufläche von 380.000 Hektar bestand, so ging diese beständig bis auf 240.000 Hektar zurück. Vielen Winzergenossenschaften und damit auch Weinbaubetrieben wurde die Existenzgrundlage entzogen und der Berufsstand trat in eine prekäre sozio‑ökonomische Phase ein.

 

Strukturelle Änderungen

Ein Strukturumbau wurde erst möglich nachdem die Verantwortlichkeit für Wirtschaftsvorgänge den vielen staatlichen Stellen entzogen wurde. Ein erster wichtiger Schritt hierzu war die Zusammenfassung unabhängig voneinander agierenden Ämtern auf ein branchenumfassendes Weininstitut (Instituto da Vinha e do Vinho – IVV): “Mit dem EU Beitritt Portugals am 1. Januar 1986 ergaben sich neue Perspektiven für die portugiesische Wirtschaft. Die JNV wurde an die neue Situation und die Aufgaben in der europäischen Gemeinschaft angepasst, was die Reorganisation der Verwaltungsstrukturen und der Marktkoordination betrifft. Die Junta wurde deshalb umgewandelt in ein Weininstitut mit der Bezeichnung Instituto da Vinha e do Vinho, auf Grundlage des Gesetzesdekret Nr. 304/86 vom 22. September. Das Institut entsprach damit der Bedeutung, welche dem Weinbau innerhalb der Landwirtschaft zusteht und den vielfachen Wünschen nach einer umfassenden Organisation für Weinbau und Kellereien.“ (IVV, Site história)

Aufgrund einer Initiative des Wirtschaftsministers (Mira Amaral) wurde 1992 versucht die wesentlichen unterschiedlichen Wirtschaftsgruppen und Verwaltungsstrukturen zu einer konzentrierten Aktion im Sinne einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu bewegen. Hierzu wurde Michel Porter, Professor der Universität Harvard/Boston beauftragt. Porter erkannte sehr schnell die Fragilität der einzelnen Wirtschaftsgruppen (cluster). Ein Hauptgrund für die fehlende gemeinschaftliche Konzeption im Weinbaubereich war die staatsabhängige Entscheidungsbefugnis des Berufsstandes, die sich durch das vollkommene Fehlen von Fach‑ und Regional‑ Berufsverbänden ausdrückte. Die Steuerung der Branche war damit von Beamten der Verwaltung abhängig, die über geringe marktwirtschaftliche Kenntnisse verfügten. Dies war ein Hinderungsgrund zu einer schnellen Bewältigung der Krise. Es mussten deshalb eigene Organisationen der unterschiedlichen privatwirtschaftlichen Meinungsbildung geschaffen werden, die selbst über wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Fragen Entscheidungen treffen konnten. Es bestand vor allem ein Zwang die strategischen Prioritäten zu bestimmen. Durch die Workshops von Michel Porter wurde zum ersten Mal das hoheitliche Denken der Verwaltung in Wirtschaftsfragen angezweifelt. Die unterschiedlichen regionalen und sektoralen Weinwirtschaftsbereiche wurden aufgefordert ihr selbständiges Handeln zu Gunsten einer gemeinsamen Politik, die dem Weincluster („Cluster do Vinho“) entsprach, aufzugeben.

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