Technologische Entwicklung bei der Weinbereitung

Maria João Cabrita (Universidade Évora), Hans‑Jörg Böhm

Auf dem Festland Portugals konnnte sich das Nationalerbe Weinbau nach dem schweren wirtschaftlichen und qualitativen Einbruch durch Reblaus, Oidium und Peranospera nur sehr langsam wieder erholen. Erst Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts sorgten Unternehmen wie José Maria da Fonseca und die SOGRAPE, diese gemeinsam mit ihren amerikanischen Partnern, für neuen Aufschwung. Die Gründung von 130 Winzergenossenschaften in den 60er Jahren und ständig steigende Nachfrage der afrikanischen Kolonien waren wichtige Säulen des Wiederaufbaus.

Zu dieser Zeit versuchte der Weinbau mit ertragsorientierten Rebsorten seine Rentabilität zu verbessern. Beim Weiβwein waren es Massenträger wie der Seminario, der Diagalves und der Boal Alicante, bei den Rotweinen herrschten Sorten vor die oft nur eine geringe Färbung hatten aber weniger anfällig gegen Oxidation waren und dadurch frisch wirkten. Sie kamen aus Weinbergen in höheren Lagen, mit moderater Temperatur zur Erntezeit. Die damals vorherrschenden Rebsorten insbesondere der Weinberge des Hochlandes im Nordosten des Landes (Beiras und Trás‑os‑Montes), waren Marufo, Rufete, Tinta Carvalha und Alvarelhão, mit vielen zigtausenden ha Anpflanzungen, sie stellten eine ideale Grundlage für einheitliche Massenproduktion dar, wie diese für Markenwein benötigt wird. Zu dieser Zeit hatte sich bei der reichsten Nation des Globus, der USA, eine Art Zeitfenster für Wein geöffnet. Nach dem Wegfall der Prohibitionsgesetzgebung für Alkohol befanden sich Marketingexperten auf der Suche nach einer Alternative zum amerikanischen Wisky nach einem leicht trinkbares Getränk mit geringerem Alkoholgehalt und verfügbar in Millionen Litern.

Der portugiesische Rosée war hierzu in Verbindung mit CO2 und Restsüsse genau das richtige. Die Verwendung der aus Deutschland kommenden Steingutflasche Typ Steinhäger und des Boxbeutels war der Beitrag der deutschstämmigen Marketingexperten und späteren Exklusivvertreter fur Nord Amerika (Heublein und Dryfuss). So entstanden die portugiesischen Weine: “Mateus Rosé” und “Lancers”, die weltweit ersten grossen Markenweine. Schnell folgten viele andere wie “Casal Mendes” von Caves Aliança, “Isabel Rosé” von C. da Silva, “Mundus” der Winzergenossenschaften der Estremadura und viele andere. Portugal wurde international gesehen zum zweitgrössten Exporteur von Wein, behielt aber bis in die 90er Jahre das vorranginge Image eines Roseeweinproduzenten.

Mit dem Beginn der EG begann die Weinwirtschaft in Italien, Frankreich und Deutschland ihre Weinerzeugung zu modernisieren Es entstanden in diesen Ländern neue Typen roter und weisser Weine mit hohem Qualitätsanspruch, aber mit Preisen die weit unter denen Bordeaux’s oder des Burgund lagen und damit eine Verlagerung des Konsumgeschmackes verursachten. Das Interesse an Roseeweinen kam aus der Mode. Die groβen Exportkellereien Portugals mussten ihre Strategien ändern. In diesem Zusammenhang begannen die Winzergenossenschaften des Alentejos Weine mit geografischer Herkunft an Stelle von Markenweinen zu verkaufen. Noch war der internationale Markt nicht auf dieses Angebot vorbereitet. Die wirkliche Erholung des nationalen Weinmarktes kam erst später durch ein breites Bündel inovativer Massnahmen:

1) Die Einführung der Kaltvergärung. Niedrige Temperatur fördert den Erhalt der Gäraromen des Weines und liefert damit frischere und fruchtigere Weine. Mit der Entwicklung geigneter Hefen konnte das Steckenbleiben der Gärung verhindert werden.

In den 60er Jahren begann “JMF Internacional” mit einem enormen finanziellen Engagement in Weinkeller mit kontrollierter Temperatur zu investieren. Die Kellerei J. P. Vinhos die zu dieser Unternehmung gewisse familiäre Bindungen hatte, erstellte in den 80er Jahren einen enormen Lagerkeller in Edelstahl mit kontrollierter Kaltvergärung und Lagerung und der Überwachung durch einen australischen „fliegenden Winemaker“. Das waren damals eine Novitäten für Portugal. Ursprünglich war diese Anlage bestimmt zur Rosee‑Weinerzeugung, aber dann wuchs die Leidenschaft des Unternehmers und er begann damals für das Land völlig neue weisse und rote Qualitätsweintypen zu erzeugen

Die SOGRAPE folgte bald mit ihrer berühmten Weinmarke “Planalto”, wobei zunächst noch Zweifel aufkamen wegen der herben Kritik mancher altmodischer Konsumenten, die an traditionelle Vergärung gewohnt waren und weniger offen für Fortschritt. Aber das Tor zur Zukunft war aufgestossen. Die G7 (Zusammenschluss der bedeutendsten Kellereien des Landes), die grossen dynamischen Winzergenossenschaften und Weingüter mit fortschrittlichen Beratern folgten auf dem Weg zur Zukunft. Die erste war vielleicht die Quinta do Cotto 1977, sie griff auf deutsches know how auf ihrem Wege in die Zukunft zurück und legte neue Weinberge nur mit ausgewählten Rebsorten an. Der Alentejo folgte; es war der Weisswein des Esporão Ende der 80er Jahre, der für grosse Überraschung sorgte (das erste Gebinde für den Testmarkt wurde in den Kühlhaüsern der PLANSEL und unter Regie der Universität von Évora erzeugt). Andere Güter, einige mit ausländischem Kapital (z. B. Quinta do Carmo), wurden zum Musterbeispiel für Fortschritt mit ihren Weintypen. Eine neue Generation nationaler Önologen mit ausgezeichneter Berufsausbildung einschliesslich Auslandserfahrung wie die Kellereiingenieure Engº Cancela d’Abreu, Portugal Ramos, João Melícias, Colaço do Rosário und Virgilio Loureiro um nur einige Namen zu nennen, standen den Genossenschaften und Weingütern bei und schufen ein neues Bild vom portugiesichen Önologen und Wein.

2) Züchtung der Rebsorten mit hohem önologischem Potential. Bedingt durch die Tradition des Roseeweines war das Rebsortiment nicht optimal und in genügendem Umfang strukturiert, um Qualitätsrot‑ oder ‑Weisswein in aussreichenden Mengen für den Export zu produzieren, – diese Erfahrung hatte der Mitautor dieses Artikels in Deutschland, zu seiner Zeit (1969) grösster Importeur von portugiesishem Wein nach Deutschland gemacht. Er konnte feststellen, dass hervorragende Qualitäten in kleinen Mengen von verschiedenen Weinbaugebieten geliefert wurden. Diese Weine waren besser als italienische Herkünfte. Bei späteren Grossaufträgen konnte damals jedoch der Qualitätsstandard nicht gehalten werden. Dieses Problem der beschränkten mengenmässigen Elastizität des Angebotes, war sicherlich Konsequenz der zu dieser Zeit noch dominierenden Roseeproduktion, wurde aber von der gesamten Branche erkannt und geriet zu ihrer grössten Herausforderung.

Schon 1979 wurde ein privates Projekt zur gezielten Beseitigung des Engpasses fehlender zertifizierter Erhaltungszüchtung der alten Rebsorten, das in Geisenheim von Prof. H. Becker erarbeitet worden war, dem damaligen Staatssekretär Prof. Carvalho Cardoso vorgetragen. Dem Mitgründer des Rebzuchtunternehmens PLANSEL und des Weinbauverbandes ATEVA Engº Raposo Palma, gelang es zu dieser Zeit die zuständigen Ämter, vor allem aber eine grössere Menge verantwortungsbewusster junger Wissenschaftler und Techniker auf das Problem der Erhaltungszucht aufmerksam zu machen. Von privater Seite interessierte sich die PLANSEL auf Basis wissenschaftlicher Abkommen mit der Universität von Évora (Mikrovinifikation mit kontrollierter Temperatur) und der EAN (Pflanzenschutzabteilung der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt), mehr für praktische Probleme bei der Auswahl der Sorten, den Einfluss der neuen önologischen Verfahren in der Warmzone auf Rebsorten und Auswahl der am besten für den Export geeigneten Sorten sowie die Einführung der Zertifizierung im Bereich der Rebpflanzgutes. Die zuständigen Ämter hatten andere Probleme. Auf Grund der hierdurch fehlenden staatliche Politik ergriffen einige der oben erwähnten visionären Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der öffentlichen Hand die Initiative, um das Problem anzugehen. Auf deren gemeinsame Iniziative wurden hunderte von Klonen der wichtigsten Rebsorten selektioniert. Diese wurden in zwei aufeinanderfolgenden Vermehrungsphasen nach Regeln der quantitativen Genetik ausgelesen und an mehreren Orten nach wissenschaftlichen Regeln angepflanzt. So war es möglich, dass in wahrscheinlich einmaliger Form das Erbgut eines ganzes Genzentrums einschliesslich seiner biologischen Vielfalt erhalten und verglichen werden konnte. Dieses umfassende Erhaltungsprogramm umfasst bis heute fast alle in diesem Buch beschriebenen verschiedene Rebsorten.

Mikrovinifikation und elementare Weinerzeugung war schon vor den 80er Jahren bei Portweinhäusern und an der Universität von Évora durch oben erwähnten Vertrag mit der PLANSEL übliche Praxis. Das Programm der Universität von Evora wurde jedoch wesentlich modernisiert und vorangetrieben Die erzeugten Weine wurden kontrolliert und bewertet durch die Prüfungskommission des Weininstitutes (JNV) in Catujal. Später wurde das Bewertungsspektrum auf das Ausland erweitert; in Frankreich an der ENTAV und mit der Universität von Montpellier, in England bei den Masters of wine unter der Leitung der bedeutenden Weinschriftstellerin Jancis Robinson, in Deutschland an der Forschungsanstalt Geisenheim Abteilung Önologie.

Als zweiter Schritt wurde mit Hilfe des Weininstitutes versucht in technischen Weinproben vor einem breitem Publikum auf die Bedeutung der Unterschiedlichkeit der Rebsorten hinzuweisen und vor allem auch den öffentlichen Sektor für die Problematik zu sensibilisieren. Ende des gleichen Jahrzehntes wurde die Pflanzung rebsortenreiner Weinberge genause wie die Erzeugung rebsortenreiner Weine bei kontrollierter Gärführung selbstvertändlicher Bestandteil fortschrittlicher Weinbereitung. Was die Rebsorten betrifft, fehlt heute eigentlich nur die Antwort auf das Postulat des „cluster Porter“(2003): die ‚Pilot’‑Rebsorten festzulegen, nämlich die Spitzensorten mit Eignung zur Produktion im ganzen Land und als Leitsorten für das Exportmarketing; dies könnten folgende Sorten sein: Alvarinho, Arinto, Aragonez und Touriga Nacional. Ein Vorschlag für die “Elite” Rebsorten mit grossem Impakt aber oft nur regionaler Eignung wird in diesem Buch mit der ‚ersten Kategorie’ gemacht.

3) Die Festlegung der Qualtätsweinbaugebiete. Ende der 80er Jahre wurde das Qualitätsweinbaugebiet Aletejo mit Untergebieten gesetzlich festgelegt; im folgenden Jahrzehnt folgten zwanzig weitere. Portugal, einst das erste Land der Welt das ein Qualitätsweinbaugebiet (1756) geographisch abgegrenzt hatte, hat heute das gesamte Land mit allen Weinbauregionen einem EU‑konformen geografischen Qualitätsweinsystem unterworfen.

4) Die Weinbau‑ und Kellertechniken. Hierbei waren insbesondere die folgenden Massnahmen wichtig für die Qualitätssteigerung des Weines:

a. Weinbautechniken, mit dem Ziel die Traubenqualität zu erhöhen: Ausdünnung des Reblaubes, Verminderung des Gescheinsansatzes, Zwischenbegrünung und Bewässerung.

Die Optimierung der Laubwand ist heute eine Technik die z.B. im Alentejo von den meisen Winzern durchgeführt wird. Bedingt durch die Wetterbedingungen ist es notwendig Wasser und Pflanzenernährung auf die Fruchtmenge und Laubwand abzustimmen. Mit der Ausdünnung der Laubwand werden die für die Assimilation nicht notwendigen Verdichtungen wie überschüssige Triebe beseitigt.

Die Verminderung des Fruchtansatzes ist ein anderes Instrument mit dem die Winzer über Mengenkontrolle die Weinqualität in gewünschtem Masse beeinfussen können.

In Junganlagen mit Bewässerungssystem kann bei unadequatem Gebrauch die Qualität durch Überproduktion gefährdet werden. In den letzten Jahren wurden viele Weinberge auf Bewässerung umgestellt und viele Untersuchungen wurden angestellt, um den Einfluss auf die Traubenqualität zu ermitteln Obwohl die Bewässerung für den Prozess der Reife von grundlegender Bedeutung sein kann, bestehen Zweifel über die Art und Weise der korrekten Nutzung dieser Technik in Hinsicht auf die unterschiedlichen Umweltbedingungen (Klima und Boden) des Landes, speziell jedoch im Alentejo. Die Folgen ungenügender Wasser‑verfügbarkeit, insbesondere in Gebieten geringen Regenfalls in Frühjahr und Sommer müssen genau so abgewogen werden wie der Einfluss des Bodentypus, des verwendeten Rebmaterials, vor allem aber auch des Weintyps, den man zu produzieren beabsichtigt. Bei der Suche nach der Qualitätsverbesserung durch Bewässerung muss das optimale Gleichgewicht zwischen der Wüchsigkeit der Laubwand und der Traubenproduktion gefunden werden; excessives Laubwachstum kann unerwünschten Einfluss auf die Inhaltstoffe des Mostes bedingen.

Abschliessend muss etwas zur Zwischenbegrünung gesagt werden. Die Begrünung mit ausgewählten Gräsern in der Zeile bei gleichzeitigem minimalen Herbizideinsatz vermeidet Bodenerosion und Verdichtung wie sie bei exzessiver maschineller Bodenbearbeitung auftritt, und trägt neben geringerem Wasser‑ und Düngemittelverbrauch auch zur Verbesserung der Bodenstruktur bei.

b. Wahl von Pilotrebsorten oder von regionalen Elitesorten mit geringerer geographischer Anpassungsfähigkeit. Es wurden bisher traditionelle Sorten mit nachgewiesener guter regionaler Anpassung gewählt.

c. Vorteil des nachtäglichen Verschnitts von Rebsortenwein statt gemeinsamer Vergärung unterschiedlicher Sorten. Rebsortenweine stehen gegen Verschnittweine. Der technologische Fortschritt der letzten Jahre fördert individuelle rebsortenkonforme Vinifikation, statt des traditionellen Vorgehens alle Sorten gemeinsam zu vergären; Verschnitte um dem Wein bestimmte Eigenschaften zu geben, erfolgen später nach Probe. Einer der ersten Erfolge dieser neuen Denkweise war eine Nachfragesteigerung nach rebsortenreinen Weinen, bei welchen die einzelnen Eigenschaften der Rebsorte betont werden. Es folgten dann Weine mit zwei Rebsorten, die schon einen grösseren Einfluss des Önologen verlangt um die mehr oder weniger besten Eigenschaften der beiden Sorten herauszustellen. Die grössere Menge der Weine indes werden weiter,aber nun im gezielten Verschnitt hergestellt.

d) Vinifikation und gezielte Lagerung in speziellen Tanks unter Bedingung absoluter Sauberkeit und getrennt nach der Produktionsphase. Die Hygiene beim Transport der Trauben ist unabdingbar. Viele Sünden geschehen hier. Vor allem Kellereien wünschen den Transport der Trauben in Plastikkisten mit einer Fassung von 25 und 40 kg, diese können aufeinandergestapelt werden, ohne daβ dadurch die Trauben zerquetscht werden. Dies entspricht der Forderung, die Trauben in besten Zustand in der Kellerei zu erhalten, diesem Wunsch kann beim Transport in Anhängern hinter Traktoren nicht entsprochen werden.

e) Keltern, Gär‑ und Lager‑Tanks. Das traditionelle Verfahren bestand aus Keltern aus Stein oder Zement, die heute immer noch punktuell benutzt werden, und groβen Tonamphoren mit altmodischer Vinifikation, wie dies eigenlich nur noch im Alentejo existiert. Sei es bei der Vergärung, sei es bei der Lagerung, die Industrie sucht Lösungen mit Materialen die einfach zu reinigen und zu unterhalten sind, und Systeme, die den Personaleinsatz reduzieren, und gleichzeitig zum Erhalt der Qualität der Weine beitragen.

f) Der Gebrauch von Enzymen, Tannin, Holzchips, Hefen, und Bakterienkulturen. Es ist heute üblich Hefen und Bakterien dem Wein zuzusetzen, um die alkoholische Gärung und den Saureabbau zu kontrollieren. Verschiedene wissenschaftliche Arbeitsgruppen haben sich diesem Aufgabenbereich gewidmet auf der Suche nach Mikrorganismen der Trauben bestimmter Regionen. Der Gebrauch von Enzymen mit unterschiedlichsten Funktionen gestattet dem Kellermeister dem Most bestimmte Eigenschaften zu geben, oder zumindest einige mechanische Operationen wie zum Beispiel beim Filtrieren oder beim Keltern zu erleichtern. Die traubenbedingten Tannine und die inzwischen zugelassenen Holzschnitzel können dem Wein Eigenschaften geben die er ursprünglich nicht hatte, und ihm eine bessere Struktur verleihen mit aromatischer Note und besonderem Geschmack.

^