Wirtschaftlicher Weinbau und gesundes Pflanzgut

Óscar Sequeira, Constantino Sequeira, Gustavo Nolasco.

Es gibt verschiedenen Ursachen für die Ertragskraft eines Weinberges, neben den weinbautechnischen, den Umweltfaktoren Klima und Boden und der genetischen Konstellation der selektionierten Klone sind die kryptogamen Schädlinge und die systemischen Erreger von ausschlaggebender Bedeutung (Vírus und Phytoplasma).

Im Falle der drei ersten Faktoren haben berufständische Organisationen (Rebveredler, Züchter und Winzer) vor allem aber dynamische Unternehmer, mit dem Hintergrund einer entsprechenden Berufsausbildung Lösungen gefunden; dies gilt zumindest für unsere fortschrittlichen Weinbaugebiete.

Die Pilzerkrankungen haben zweifelsohne höchste Bedeutung für einen ertragsbringenden Weinbau; allerdings nur geringem Einfluss auf das Planzgut. Sie können durch spezifische Massnahmen behandelt werden, im Gegensatz zu den systemischen Krankheitserregern (Vírus und Phytoplasma).

Die systemischen Erkrankungen leben in dauernder Koexistenz mit der befallenen Rebe. Dies führt dazu, dass diese mit den migrierenden Rebsorten über die ganze Welt verbreitet wurden. Um im Falle Portugals bei dieser Problematik eine Lösung zu finden, wurden verschiedene nationale Forschungsprojekte in den EU – Programmen IED/PAMAV und AGRO gefördert. Aber auch das internationale NATO finanzierte Projekt (PO‑Plant Virus – Science for Stability) war ein verdienstvoller Beitrag zur Diagnose und zur Vorbeugung von Viruserkrankungen bei der Klonenzüchtung. Zusammen mit der neuen Gesetzgebung zur Bewässerung der Weinberge, der technischen und finanziellen Hilfe zur Schaffung von Berufsverbänden, der Finanzierung von Weinbauberatern im Rahmen des Projektes ‚integriter Pflanzenschutz’, haben diese Aktivitäten dazu geführt, dass unser Land sich internationalem Standard nähert.

Tatsächlich hatte Portugal schon in den 60er Jahren eine Vorrangstellung bei der diesbezüglichen Forschung. Einige der in Portugal durchgeführten Studien über Viruserkrankungen wurden weltweit als Pionierleistungen anerkannt. Indes so viel bedeutende Erkenntnisse hier auch immer erworben werden konnte, es wurde damals nur wenig in der Praxis angewandt, fehlende Koordinationsstrukturen führten zu Vermittlungsschwierigkeiten mit den peripheren Bereichen.

Die Sorge um die Problematik der Virusinfektion von Reben begann in den 50er Jahren. Auf Empfehlung von Branquinho de Oliveira wurde Humberto Dias betraut in der EAN (phytopathologische Abteilung des nationalen landwirtschaftlichen For‑schungsinstitutes) virusfreie Unterlagsklone zu selektionieren. Bei einem Treffen in Oeiras (Standort der EAN) entstand die ICVG (International Council for the study of Virus and virus‑like diseases of Grapevine), führende internationale Virologen, darunter Humberto Dias waren die Gründer.

Es erfolgten die ersten Studien in Europa über die Übertragung der Viren durch Nematoden am Beispiel der Xiphinema index, weiterhin wurde der Übertragungsmechanismus ihrer Infektion und die Sanierung vektorinfizierter Böden untersucht, letzteres diente zur baldigen Wiederverwendung dieser Böden.

Im Bereich der Diagnostik wurden in den 70er Jahren die ersten neuen Diagnosetechniken entwickelt. Hierbei wurden Antikörper an haemaglutinbehandelte Latexkugeln gebunden. Die immunoenzymatische Technik (ELISA) wurde in den 80er Jahren entwickelt. Der genaue Vorgang der Immunreaktionen wurde von uns in Zusammenarbeit mit internationalen Instituten, (Changins in der Schweiz, die Universität von Bari in Itálien) unter Verwendung des Elektronenmikroskop (IMEA) studiert und überwacht. Diese Techniken waren schneller und dienten z.B. dazu Pflanzgut vor seiner praktischen Verwendung testen zu können, aber sie gestatteten auch den Grad der Bodenbelastung durch Vektoren (Überträger von Viren) zu überprüfen. In den 90er Jahren wurden die ersten Versuche zur Diagnose mit PCR‑Reaktionen im Rahmen des obenerwähnten NATO‑Projektes (Zusammen‑arbeit mit der Universität von Cornell in NY/EAU) begonnen.

Alle diese Tätigkeiten haben dazu geführt, dass gut ausgebildete Spezialisten später wichtige Positionen an Universitäten und Unternehmen einnehmen konnten.

Nachdem nun einmal virusbefallenes Rebmaterial im Feld nicht mehr geheilt werden kann, muss bei Neuanpflanzungen darauf geachtet werden, dass nur Pflanzgut verwendet wird das frei von systemischen Krankheitserregern ist. Deshalb legen die weinbautreibenden Länder besonderen Wert auf den Gesundheitszustand von Reben. Letztendlich besteht zumindest im Europäischen Raum ein offizielles Zertifikationssystem mit entsprechender Gesetzesgrundlage zur Verwendung gesunden Rebpflanzgutes bei Neupflanzungen. Dies führte zu einer Umstrukturierung der professionellen Rebpflanzguterzeugung. Sie haben nun eigene Schnittgärten mit Vermehrungsmaterial auf der Basis von mit sanitärer selektionierten Einzelpflanzen oder im Labor kurierten Pflanzen (durch Thermotherapie oder Vermehrung in vitro).

Als man mit der sanitären Selektion begann, musste man einen sehr hohen Befall mit verschiedenen Virusarten bei den wichtigen portugiesischen Rebsorten feststellen. Zum Verständnis der Tragweite der Befallsintensität von visuell selektioniertem Material einige Beispiele:

Arinto: 10% GLRaV1, 65% GLRaV 3, 5% GLRaV 2+6, 75% GFkV, 5% RRV, >50% RSPV

Alvarinho: 93% GLRaV3, > 50% RSPV

Sercial: 30% GLRaV 1, 98% GLRaV3, >50%RSPV

Touriga Nacional: 17% GLRaV1, GLRaV3, 10% GLRaV 2+6, 25% GFkV, >50% RSPV

Trincadeira: 40% GLRaV1, 45% GLRaV3, 15% GLRaV 2+6, 30% GFkV , > 50% RSPV

Während bei anderen EU‑Weinbauländern die Produktivität der Weinberge wesentlich mit der Selektion verbesserte, gab es in Portugal Verzögerungen mit der Verwendung zertifiziertem Rebpflanzgut (der natinalen Edelsorten). Es durfte erst seit Beginn dieses Jahrzehnt kommerzialisiert werden. Dies hat zur Folge, dass sich in Portugal in den letzten 40 Jahren am Ertag sehr wenig änderte.(Bild.1), im Gegensatz zu Deutschland, Frankreich unf Italien die sich um sofortige Umsetzung der EU Richtlinien bemüht hatten.

Die Ursache für diese Situation ist, dass beim Wiederaufbau der portugiesischen Weinberge die oben beschriebenen Erkenntnisse nicht berücksichtigt wurden. Das heisst der Infektionsgrad der neuen Weinberge hat sich nicht wesentlich geändert. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass einige besser infornierte Unternehmen durchaus in der Lage waren sich internationalem Standard anzunähern, was die Bedeutung oben beschriebener Forschung bestätigt.

Einige private Züchter haben mehr Sensibilität für dieses Thema gezeigt und hatten die Möglichkeit, die beschriebenen Techniken auf breiterer Basis anzuwenden, um in rigoroser Form Tests für mehr als 10 Virosen durchzuführen und dabei in verschiedenen Programmen geförderte Projekte durchzuführen.

Vor der grossen Krise in der zweiten Hälfte des XIXten Jahrhunderts, hatte Portugal ein bedeutendes Erbe an autochthonen Rebsorten auf hohem önologischen Niveau. Trotz bedeutender Änderungen ist das Endresultat heute, nachdem sanitäre Selektion mit genetischer Selektion zum Erhalt der Sortenvielfalt verbunden wurde nicht zufriedenstellend. Bedingt durch nicht konforme Subventionspolitik die mehr auf die Menge der erneuerten Rebflächen, statt auf die Qualität derselben ausgerichtet war, ist die Weinwirtschaft in Ihrer Gesamtheit nicht in der Lage gewesen das Ertragsdefizit der portugiesischen Weinberge zu verringern.

Zusammenfassend kann gesagt werden mit der Einführung der Rebselektion hat sich der Weinbau geändert. Immer mehr überzeugen Prämierungen portugiesischer Weine auf internationalen Weinmessen, meist produziert von führenden Weinhäusern mit den grossen Rebsorten aus Portugals Vergangenheit und diese sehr wohl mit guten Erträgen. Der Portwein versteht es in seiner Weinkategorie sich immer mehr als einer der besten Weine der Welt herauszustellen. Man muss bedenken, dass das Wunder der portugiesischen Weine im letzten Jahren nur möglich war, weil durch die sanitäre Selektion die alten Qualitätsrebsorten wieder richtig und dauerhaft tragen.

Es ist vorhersehbar, dass bei einer besseren Harmonisierung der staalichen Massnahmen Material der sanitären Selektion auch von den vielen kleinen und grösseren weniger informierten Winzerbetrieben verwendet wird und dass dann unsere Weinwirtschaft, wie einst im XVII und XVIII Jahrhundert, wieder weltweite Bedeutung gewinnt.

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