DIE „AMERIKANISCHEN PLAGEN“

Die „amerikanischen Plagen“ prägten im Weinbau die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es waren drei Schädlings‑arten, die den europäischen Weinbau existenziell in Frage stellten.

Zunächst war es der Echte Mehltau oder Oidium. Bevor man den Schwefel zur chemischen Bekämpfung entdeckte, versuchte man resistente Pflanzen zu importieren, was wiederum dazu führte, dass ein ebenso übler Schädling, die Reblaus, mitgebracht wurde. Auf die gleiche Weise wurde 30 Jahre nach dem Echten der Falsche Mehltau, Peronospora, eingeführt. Diese Pilzkrankheit brachte die wohl schwersten Probleme für den iberischen Weinbau.

Die Entwicklung der iberischen Weinberge kam in eine Dauerkrise von über einem halben Jahrhundert, mit enormem Schaden für die Landwirtschaft und die Bevölkerung in den Weinbauregionen. In den Jahren von 1870 bis 1930 mussten fünf Millionen Hektar Weinberge zum Teil mehrere Male ausgerissen werden. Interessant ist, dass die Plagen mit Zeitverzögerung nach Spanien kamen und somit zunächst einen Nachfrageboom seitens der schon befallenen Länder verursachten.

Die erste Naturkatastrophe war der Oidium‑Befall (siehe Abb. 83 und 84). Oidium tuckeri (Uncinula necator Berk) kam 1845 nach Europa und verbreitete sich binnen weniger Jahre über alle Weinbauregionen. Er wurde in Spanien als cebiza oder cencilla, in Portugal als oídio bezeichnet.

1845 wurde in Margate (bei London) in den Treib‑häusern des Mr. Tucker der Krankheitserreger endeckt. In Windeseile verteilte er sich über Europa. In Portugal wurde er zuerst in Peso da Régua (Douro) festgestellt, von wo aus er nach Spanien wanderte.

Die heftigen Befallsphänomene erschreckten die Winzer derart, dass in panischer Reaktion Weinberge ausgerissen wurden, um zunächst als tolerant vermutete Vitis‑vinifera‑Sorten anzupflanzen, oder man verlegte sich auf Hybridsorten, was sich bald als noch problematischer herausstellte. Denn auf diese Weise kam auch noch der zweite Parasit zum Ausbruch, die Reblaus (Phylloxera).

Schon 1846 erkannte der englische Wissenschaftler Kyle aus Canterbury (Visconde Villarinho de S. Romão, 1891: 98 ff.) die kurative und protektive Wirkung des Schwefels und experimentierte mit verschiedensten Applikationstechniken. Die fehlende Kenntnis über die physiologische Wirkweise verzögerte die korrekte Anwendung.

Die zweite Plage war der Befall durch die Reblaus oder Phylloxera (Dactulosphaera vitifolii; Fitch). Dieses Insekt verbreitete sich in den späten 1880er Jahren langsam, aber stetig in ganz Iberien.

Die aus Nordamerika stammende Blattlaus‑Verwandte wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts mit Rebstöcken von der Ostküste Amerikas über Großbri‑
tannien, genauer gesagt London, ins südliche Frankreich eingeschleppt. Die französische Regierung rief 1870 eine Kommission zur Bekämpfung der Reblaus unter Vorsitz von Louis Pasteur ins Leben, die angeblich über 700 Vor‑schläge prüfte und trotzdem erfolglos blieb. Aufgrund des Erscheinens der Reblaus lebte eine Wissenschaft auf, die sich hauptsächlich mit deren Bekämpfung beschäftigte. Hinzu kam die Ampelographie, was wiederum eine gewaltige Bürokratie im europäischen Weinbau zur Folge hatte, die sich strukturbedingt bis heute erhalten hat – und, wie manche Professionelle vermuten, damit ein noch größeres Übel wurde, obwohl die Lösung des Reblaus‑Problems dann ganz anderer Art war.

Die Veredelung (Umveredelung) von Rebstöcken war bereits in der Antike bekannt. Cato der Ältere (234–149 v. Chr.) erwähnt die Technik in seinem Werk „De agricultura“. Früher wurden Rebstockpfropfungen hauptsächlich zum Rebsortenwechsel durchgeführt. Nachdem man schließlich herausgefunden hatte, dass amerikanische Weinreben an ihren Wurzeln nicht von der Reblaus befallen werden, verwendete man reblaustolerante Reben aus Amerika (Vitis riparia, V. berlandieri, V. rupestris, V. cinerea) und aus Asien (V. amurensis), die mit einheimischen Edelreisern (V. vinifera) bepfropft wurden.

Die Phylloxera wurde 1876 in Spanien entdeckt, in der Lagar de Indiana bei Molibnejo in der Provinz von Málaga (Hidalgo, 1993: 266 ff.). Schon 1878 wurde der Befall auch an der Costa Brava bei Gerona und einigen anderen Orten festgestellt, ab 1882 auch in Villadervos, dem Tal von Verín bei Orense. Von diesen drei Ausgangspunkten befiel die Reblaus zügig nahezu ganz Spanien. Von den über zwei Millionen Hektar Weinbergen Spaniens 1877 waren 1903 nur noch 860.000 Hektar reblausfrei. 1918 waren nur noch die Kanarischen Inseln verschont geblieben. (Juan Piqueras Haba, 2001) Dieser Befall veränderte die Reblandschaft Spaniens einschließlich der verwendeten Sorten, in einigen Gebieten sogar grundlegend.

Die Hybridrebe Isabella (V. vinifera x V. labrusca) aus South Carolina (USA) wies zwar wie alle anderen Hybridsorten hohe kryptogame Resistenz (Peranospora und Oidium) auf, war aber selbst meist reblausbefallen, jedoch kaum reblausresistent und verbreitete diesen Schädling bei Neupflanzungen. Verschiedenste Methoden der Bekämpfung, vor allem mit Schwefelkohlenstoff bis hin zu lebensgefährlichen Konzentrationen, wurden angewand. Regionen mit feuchtkühlem Klima, das die Reproduktion des Schädlings verminderte, wurden gesucht. Die Verbreitung der Hybridreben war die Hauptursache der Reblausinvasion in Spanien, da eine natürliche Ausbreitung sehr viel langsamer vonstatten ging.

Nur langsam konnte mit der Einführung reblausresistenter Amerikanerunterlagen der Weinbau wiederhergestellt werden, er erreichte jedoch nie wieder seine einstige Fläche. Alte Sorten verschwanden und Neuzüchtungen, Massenträger anderer Gebiete und Sorten fremder Länder, die man für resistenter hielt, wurden eingeführt.

Besonders drastisch wirkte sich der Phylloxera‑Einfall auf den Atlantikinseln aus. Auf Madeira, den Azoren und Kanaren konnten erst in den 1980er Jahren langsam mit EU‑Mitteln die Hybriden durch V.‑vinifera‑Sorten ersetzt werden.

Katalonien war geographisch und politisch dem französischen Rossignol sehr nahe, deshalb ist die Entwicklung der dortigen Weinberge symptomatisch für die Schäden durch Reblausbefall. Das Untergebiet Girona fiel von 37.856 Hektar (1877) auf 5.5185 Hektar (1889) zurück. Die von Girona durch Gebirge abgetrennten Untergebiete (Barcelona, Lleida, Tarragona) expandierten dank der französischen Nachfrage zunächst von 200.585 Hektar (1877) auf 363.085 Hektar (1889), fielen aber schon 1902 auf 196.220 zurück, als die Reblaus die Grenzen überschreiten konnte. (Haba, 2002: 955)

Interessant ist zu wissen, dass schon 1885, als sich in Iberien die wurzelechten Reben noch in vielen Untergebieten halten konnten und ein gewaltiger Exportboom nach Frankreich entstanden war, dort schon große Versuchsanlagen mit amerikanischen Unterlagssorten zur Verfügung standen.

 

Plasmopara oder Peronospora (Plasmopara viticola Berk & Curt). Der dritte und wohl schlimmste Schlag für den Weinbau kam mit einem Schädling, den P. Vialat schon 1887 überall in Kanada und den nordamerikanischen Ostregionen als „Mildiou“ charakterisiert hatte (Galet, 1977: 89). 1878 wurden an der Gironde auf einer amerikanischen Jacquez‑Hybridrebe Ölflecken von Peronospora gefunden. 1880 breitete sich die Pilzkrankheit in ganz Europa aus.

Die Ausbreitung erfolgte in Iberien dermaßen schnell, dass die Erstellung einer chronologischen Landkarte keinen Sinn hätte. Bei den beiden Schadensphänomenen wirkt sich die Zerstörung der Laubwand wirtschaftlich nicht minder massiv aus als die Traubenfäulnis. Die Suche nach einer valenten Bekämpfung dieser Krankheit dauerte sehr lange, obwohl die Wissenschaftler Vialat, Millardet, Berkeley und Patrigeon die physiologische Funktionsweise des Erregers bald erkannten. Der Verwendung von Kupfersulfat folgten wissenschaftliche Untersuchungen (Galet, 1987: 142 ff.) auf der Suche nach besseren Bekämpfungsmethoden. Erst durch systemische und kurative Pflanzenschutzmittel konnte Ende des 20. Jahrhunderts diese Erkrankung sicher bekämpft werden.

 

Amerikanische wurzelechte Rebsorten und Hybriden der ersten Generation waren die erste erfolgreiche, aber problematische Antwort auf die „amerika‑
nischen Plagen“. Die amerikanischen Hybridreben waren durch Berichte aus Neuengland über diese großbeerigen aromatischen Sorten schon im 18. Jahrhundert bekannt. Als die Weinberge Frankreichs aufgrund des Befalls mit den „amerikanischen Plagen“ ausgerissen werden mussten, wies im Jahre 1869 Millardet (1885: V) auf dem Kongress von Beaune M. Lalimant aus Bordeaux darauf hin, dass „einige amerikanische Rebarten der Reblaus wider‑standen hätten, die ansonsten seine Reben vernichteten. … Herr Planchon habe zur gleichen Zeit hinsichtlich dieses Problems im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums eine Reise nach Amerika unternommen.“ F. Sahut (1885: 51‑60) beschreibt zuerst Feldversuche bezüglich der Resistenzprüfung von Europäerreben, dann den Versuch, mit Hybridreben die Wiederherstellung der französischen Weinberge zu erreichen. Hierbei bezieht er sich auf den Feldversuch mit einer Kollektion amerikanischer Reben in Las‑Sorrez bei Montpellier. Er beschreibt dabei Probleme der Anpassung im Vergleich zu den französischen Edelsorten und auch ihre unter‑schiedliche Reblausresistenz.

Aufgrund der großen Anzahl an Vitis‑Arten auf dem amerikanischen Kontinent geht man davon aus, dass viele Hybridreben aus spontaner, natürlicher und interspezifischer Befruchtung entstanden sind. Die Mehrzahl der bekannten Hybridreben wurde jedoch künstlich geschaffen. Sahut und andere französische Autoren vermuteten zunächst, deren geringere Eignung zum Qualitätsweinbau in Europa mit dem unterschiedlichen Klima begründen zu können. Aber da es sich um reblausresistente Direktträger handelte, konnten viele Anlagen später einfach mit Vitis‑vinifera‑Sorten überveredelt werden.

Ab 1880 wurde eine systematische Pfropfung von Europäerreben auf amerikanische Reben durchgeführt (siehe Abb.92 und 93). Es ist erstaunlich, dass erst so spät systematische Versuche zur Veredelung erfolgten, woraus man schließen kann, dass die seit früher Zeit durchaus bekannte Technik nicht mehr üblich war und in der Praxis kaum mehr angewand wurde. Die Ergebnisse wurden aber auf den verschiedenen europäischen Kongressen der europaweit gebildeten „zentralen nationalen Antiphylloxera‑Komissionen“ besprochen und es wurden Pfropfversuche mit unterschiedlichen amerikastämmigen Unterlagen und Vitis‑vinifera‑Sorten unternommen. Die Rebsortenkollektionen der bekannten Rebsorten, Arten und Hybriden führten in Portugal und Spanien zu neuen Erkenntnissen (Menezes, 1987: 5‑139). Interessanterweise nahm mit diesen Kollektionen auf der Iberischen Halbinsel das Rebsortenbewusstsein und damit auch die Ampelographie einen starken Aufschwung (so z. B. in Portugal Vila Maior, Vasconcelos und Acúrcio Rodrigues, in Spanien Simon de Rojas Clemente, Abela y Sáinz, Manso de Zúñiga und Fernandes de Bobadilla).

Da inzwischen auch die Peronospora aus Amerika in Iberien einfiel und die eigentlich erfolgreichen Feldversuche mit den „veredelten“ Reben in Frage stellte, setzten viele Praktiker weiter auf die amerikanischen Arten und ihre Hybriden, bis auch hier mit Kupfersulfat und der Calda bordalesa (Bordeauxbrühe oder Kupferkalkbrühe) eine Antwort gefunden werden konnte. Somit war die erste Phase der Neupflanzung mit reblausresistenten Sorten, die auch Oidium‑ und Peronospora‑tolerant waren, eingeleitet (S. Sahut, 1885: 57 ff.). In Europa folgten den bekannten wurzelechtenen Hybriden der ersten Generation, wie Isabella, Scuppernong und Cape, dann auch die Rebsorten Delaware, Clinton und Concord, Cunningham, Solonis, Riparia, Vialat, Tayler und Jacquez. Sie wurden in dieser Zeit zur großen Mode. Die Azoren, Madeira, aber auch ganze Regionen auf dem Festland folgten dem Trend und verlegten sich bald ganz auf diese Kulturen. Später wurde man auf die Rebsorte Catawba aufmerksam. Erst Millardet (1885: 153) versuchte die amerikanischen Direktträger in Hybriden und „Espèces sauvages“ (Wildsorten), die eigene Arten darstellten, zu unterscheiden und bei Letzteren die typischen Eigenschaften und Toleranzen ihren natürlichen Umweltbedingungen (Boden, Klima) gemäß ihrer geographischen Herkunft zuzuordnen, was für ihre spätere Eignung als Unterlagenzüchtung von großer Bedeutung war. P. Sahut (1885: 149 ff.) beschreibt weitere 35 Direktträger dieser Zeit. A. Millardet (1885) kennt zur gleichen Zeit eine noch viel größere Anzahl an resistenten amerikanischen Direktträgern.

Ein wichtiges Kapitel ist die Unterlagenzüchtung, die gewissermaßen als Nebeneffekt der Hybridzüchtung zur eigentlichen Rettung des iberischen Weinbaus wurde. Die Zusatznutzen zur Wurzel‑Reblausresistenz bedingen die breite Palette der verwendeten Unterlagssorten. Unter‑schiedliche Triebigkeit, Trocken‑ oder Feuchtigkeitsre‑
sistenz, Virus‑ und Nematodenresistenz, bodenchemikalische Eigenschaften sowie Affinitätsfragen sind der Grund, dass auch heute noch aktiv an Unterlagen geforscht wird. (siehe Luis Fidalgo, 1999: 345 ff.)

Die Verbraucher stellten sich nur ungern auf die ungewohnte Eigenart der Weine mit ihrem „Foxton“ ein, es war die Preisfrage, die dem billigen alkoholhaltigen Hybrid‑Weingetränk den Markt bereitete. Die Vitis‑vinifera‑Weine waren selten geworden oder mussten oft von weither geholt werden, was sich im höheren Preis niederschlug. Es scheint, dass Iberien durch die Zeitverschiebung bei den „amerikanischen Plagen“ meist von den Gegenmaßnahmen der Franzosen und Deutschen profitieren konnte. Seine Weinwirtschaft litt weniger unter den Hybridweinen als unter der Weinkrise, die durch die Kunstweinerzeugung infolge des Nachfragebooms nach Vitis‑vinifera‑Wein in Frankreich hervorgerufen wurde.

Die Hybridzüchtung mit Europäerreben (zweite Generation der interspezifischen Sorten) begann systematisch in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Millardet (1885: IV) weist darauf hin, dass die Reblausresistenz strikt nach den Erbgesetzen vererbt wird. Das regte natürlich die Phantasie kluger Agronomen und Biologen an, darüber nachzudenken, wie man optimale önologische und weinbauliche Eigenschaften mit der Reblausresistenz kombinieren kann. Pierre Vialat beschreibt mit dem Buch „À la memoire de Louis Bouchet et d’Henri Bouchet“ 1886 die ersten großen Züchter mit Methoden und Ergebnissen. Auf deren Erkenntnissen über die Kreuzungszüchtung am Beispiel des Alicante Bouschet aufbauend, begann man systematisch Sorten verschiedener Arten in Großversuchen zu kreuzen. A. Millardet (1885) beschreibt die Hybridisierung der amerikanischen resistenten Rebsorten. Da von den amerikanischen Hybriden kein den Vitis‑vinifera‑Sorten entsprechender Wein zu erwarten war, wollte man versuchen, die gewünschten positiven Erbeigenschaften beider Arten zu kombinieren und die negativen, das heißt vor allem den Geschmackston des Malvidin‑3,5‑Diglucosid (sogenannter Foxton), auszuschalten.

Diese interspezifischen Kreuzungen wurden zu einem großen Geschäft. Mit jeder zusätzlichen Rückkreuzung wurden manche der amerikanischen Hybriden immer Vinifera‑ähnlicher. Von den verzweifelten Winzern auch in Spanien und Portugal wurde ein Vermögen bezahlt, um diese neuen Vinifera‑blütigen Hybridsorten zu bekommen.Von François Baco (1898) wurden die Sorten Baco noir und Baco blanc bekannt, sie werden heute noch bei der Armagnac‑Erzeugung verwendet. Albert Seibel aus Aubenas war der wohl bekannteste Züchter mit Sorten wie Cascade, Rosette, Chancellor, Rougeon oder Aurore. Der Züchter Couderc aus der gleichen Ortschaft (Couderc noir) lieferte ihm einen Wirtschaftskrieg bei der Vermarktung seiner Sorten. Bertille Seyve erzeugte die Seyval blanc. Da er die Tochter des Züchters Villard heiratete, sind die späteren Züchtungen der Familie mit dem Zusatz Seyve‑Villard gekennzeichnet, deren bedeutendste Sorte der auch heute noch gepflanzte Chamboursin ist. In Italien waren die Züchter Bruni, Paulsen, Pirovani und Prosoeri tätig.

Auf den Iberischen Inseln und auf der ganzen Halbinsel vor allem in Zonen mit starkem Pilzdruck, wie in den Küstengebieten oder in niederschlagsreichen Hanglagen (Lafões), wurden die Sorten Isabella, Cunningham, Herbemont und Jacquez intensiv genutzt. Es entstanden so die vinhos de cheiro, morangueiros oder americanos. Es sind keine eigenen systematischen Zuchtversuche für wurzelechte, rein amerikastämmige Hybriden aus dieser Zeit in Iberien bekannt. Ebenso gibt es kaum quantitative Nachweise bezüglich der Verbreitung der Hybriden erster und zweiter Generation auf der Iberischen Halbinsel.

 

Die Rebveredelung. Es scheint, dass zur Zeit des Reblausbefalls die schon Théophrast, Cato, Virgil, Plinius und Columela bekannte Kunst der Rebveredelung (F. Sahut, 1885: 179) in Frankreich ebenso wie auf der Iberischen Halbinsel nur wenig gebräuchlich war. Schließlich benötigte die Erstellung eines Weinberges zusätzliche Jahre, um in den Ertrag zu kommmen. Fragen der Affinität, geringere Ertragsfähigkeit, vor allem aber die Anfälligkeit für kryptogame Pathogene waren die Hinderungsgründe für eine schnelle Annahme dieser Praxis, obwohl es schon 1879 Seminare und Publikationen zu dieser Option der Pflanzgutherstellung gab (S. Sahut, 1885).

Die Pfropfung, welche wohl eine erste Biotechnologie der Rebe darstellt, erfolgte zunächt recht traditionell am im Feld stehenden Stock. Bald wurde zur Standortver‑edelung einjähriger Amerikaner‑blütiger Unterlagen und als Alternative die Pfropfrebenerzeugung im Atelier und in der Rebschule geschaffen. Manuelle Techniken (Gegenzungenschnitt) konkurrierten hier mit maschinellen Techniken. Die Frage der richtigen Unterlage wie der zu wählenden Veredelungstechnik wurde zum wissenschaftlichen Grundsatzproblem. F. Sahut (1885) zählt zu dieser Zeit schon 15 verschiedene Unterlagssorten auf, von denen heute allerdings keine mehr genuzt wird. Die anbautechnischen und arbeitsmäßigen Nachteile der Veredelung standen der Dynamik der Direktträger gegenüber.

 

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