ISLAMISCHE HERRSCHAFT UND WEINBAU

Mit den islamischen Eroberern kamen Gesetze, die den Weinverbrauch in einer nie gekannten Form mit Auflagen versahen. Die Konsequenzen aus dieser Einschränkung sollen hier untersucht werden. Zunächst kann man sagen, dass sich die Auswirkungen in Portugal, das sich geographisch am Rande der islamisch‑fundamentalistischen politischen Wellen befand, entsprechend weniger konsequent bemerkbar machten. Es gibt zu diesem Thema jedoch kaum weinspezifische Literatur.

Mit dem Eroberungszug des Islam im 7. Jahrhundert n. Chr. wurde ein wesentlicher Teil der Weinberge im Orient und in Nordafrika vernichtet. Es ging damit wahrscheinlich ein großer Teil der Vitis‑vinifera‑Populationen und ‑Kultivare verloren.

Andererseits muss man bedenken, dass dort das Genzentrum der „Vitis vinifera orientalis Negr.“ lag, das hauptsächlich aus aromatischen großbeerigen Sorten bestand, von denen einige sogar kernlos waren. Diese Sorten waren von ihrer physiologischen Konstellation her ganz an das heiße Klima der islamischen Welt angepasst (Turkovíc, 1961: 88). Es waren Tafeltraubensorten selektioniert worden, die auch heute noch Grundlage der modernen Tafeltraubenzüchtung sind und vollauf der muselmanischen Ernährungsweise entsprachen. Sorten wie Afus Ali, Csausch, Bicane, Geisdutte und Sultanina gibt es bis heute.

Inzwischen entwickelte sich der von islamischen Völkern besetzte Teil Iberiens, das sogenannte Al‑Andaluz, das bisher von Gouverneuren im Namen orientalischer Kalife beherrscht worden war, zu einem eigenständigen Emirat (788 n. Chr.).

Den vier ersten orthodoxen Kalifen (die Schwiegerväter des Propheten Mohammed, Abu Bakr und Umar, danach seine Schwiegersöhne Uthman und Ali) folgten als erste islamische Familiendynastie die Omajjaden, die Damaskus zur Hauptstadt kürten.

Die Bedeutung des Weines in der arabischen Welt lässt sich leicht daran erkennen, wie oft der Wein im Koran erwähnt wird: in der Sure V, die schließlich zum Verbot des Weingenusses führte, Sure IV (der Frauen), Sure II (der Rinder) und an anderen Stellen.

Die Omajjaden zeigten sich tolerant gegenüber der Kultur und den Gewohnheiten der unterworfenen Völker. Peñin (2008: 135) verweist darauf, dass der Omajjaden‑Kalif Abd el Rachman III. an seinem Hof den Weingenuss gewohnt war und auch bei anderen duldete, solange er moderat erfolgte. Bei einigen der folgenden Taifa‑Könige sei dies allerdings übertrieben worden. So unterschied man zwischen erlaubtem und verbotenem Wein. In Andalusien gestatteten die Omajjaden den Juden, ihre wichtigsten Gemeinschaften beizubehalten, und vor allem wurden die Christen – die sogenannten Mozaraber – geduldet und konnten in gewissem Rahmen ihren Kulten nachgehen und sich wirtschaftlich betätigen. Für sie war der Weinbau wichtig. Reben und Trauben findet man deshalb als dekoratives Element. So ist der Sherry ein Zeichen für den bestehenden Weinbau in Südandalusien. Der spanische Autor Oliver Asín (Peñin 2008: 233) führt das Wort „Sherez“ auf die arabische Siedlung Seris zurück. Allerdings wuchsen auf den Weinbergen, die Afonso X. (Castilla) 1265 dort vorfand, andere Weine als die des heutigen Sherry. Diese Weinproduktion missfiel wiederum den Fundamentalisten, da hierdurch die religiösen Regeln nicht ausreichend gewahrt wurden. Das hatte zuvor (749 n. Chr.) den Abassiten Grund geliefert, die Omajjaden als Kalife abzusetzen, sie bis auf eine Ausnahme umzubringen und Bagdad zur Hauptstadt zu machen. Der einzige Überlebende war ein Enkel des letzten Omajjaden‑Kalifs Hixam, dem es gelang zu fliehen und der schließlich nach El Andaluz zog. Aus ihm wurde der erste Emir Abu’l‑Mutarrif ‘Abd al‑Rahman I.

Pflanzliche Ornamente kommen im islamischen Kunstgewerbe häufig vor. Die Rebe mit Traube ist dabei das häufigste. Zur Zeit der Kalifen von Córdoba – das betraf auch einige heute portugiesische Regionen, die für die andalusische Wirtschaft wesentlich waren – schlug sich dies sogar in der Währung nieder, so bei verschiedenen Dirhamen aus Al‑Andaluz (Córdova), von Madinat al‑Zahra, Al‑Hakem II. (961‑976 n. Chr.) und Hixam II. (976‑1009 n. Chr.) (Abb. 56, 60, 61) .

Offenkundig endete der Weinkonsum auch im islamischen Andalusien nicht. Es mangelte auch nicht an Exzessen: Carvalho (1912: 15) berichtet von Emir Abu’l‑‘Asi Al–Hakam I. (Herrschaftsperiode 822 –852 n. Chr.): „Um sich von den Beschwerlichkeiten des Krieges zu erholen, wurden von ihm die Gebote des Korans umgangen, und er gab sich ausschweifenden Tafelrunden hin, bei denen Dessertweine im Unmaß flossen.“

Dass der Weinstock weiter gepflegt wurde, wie auch der Wein getrunken, sieht man auch in der Dichtung. Hierfür sprechen die Reime von Al‑Mu‘tamid ‘Ala’llah, Taifa‑König von Sevilla (1069–1091 n. Chr.), der in seiner Jugend in Silves lebte (Alves, 1987: 148, 151–153). Er steht damit in einer langen Tradition islamischer Poeten wie zum Beispiel Hafiz Shirazi, Abu Nawas (765–813), Yalal ud‑in Rumi oder Jayyam, um nur einige zu nennen. Juan Piqueiras Haba (2000) nennt die Namen der arabisch‑valencianischen Lyriker Ibn Jafaya, Al Rusafí und Ibn Labbun, die den Weingenuss verherrlichen; weiterhin verweist er auf Weinkrüge und Marmorkelche, aus denen der Wein in Valencia in Strömen geflossen sei.

Neben dem Verzehr von Tafeltrauben und dem privaten Weingenuss aß man auch Rosinen (portugiesisch azibebe, ein Wort, das vom Arabischen abgeleitet ist), die Besuchern oder bei Appetitlosigkeit Kranken angeboten wurden (Sousa 1830: 8). Gemeinsam mit der Tafeltraube waren sie fester Bestandteil der islamischen Kultur, ein Phänomen, dem auch das portugiesische Vitis‑vinifera‑Genzentrum sein Überleben verdankt.

Der noch auf die Griechen zurückgehende Weinbau in Málaga (600 v. Chr.) findet in der arabisch‑andalusischen Dichtung, die wohl auch einen realen Hintergrund gehabt haben dürfte, schon Erwähnung (Peñin, 2008: 339).

Mit dem Niedergang der omajjadischen Herrschaft zerfiel das andalusische Kalifat in bis zu 39 unterschiedliche Taifa‑Herrschaften, die hinsichtlich des Alkoholkonsums unterschiedlich streng waren. Jedes dieser Reiche gehörte zu einem Stamm, so zum Beispiel die Amiriden in Valencia, die Tuyibidas in Saragoza, die Birzalidas in Carmona, die Ziriden in Granada, die Hamádidas in Algeciras und Málaga und die Abádiden in Sevilla. Schon bald waren es die Taifas von Sevilla Badajoz, Toledo e Saragoza, welche sich als die wichtigsten islamischen Mächte auf der Halbinsel darstellten (siehe Abb. 61).

Das islamische Schisma endete allerdings mit einer großen Schwächung gegenüber den Christen, was fundamentalistische Glaubensgenossen aus der marokkanischen Wüste gegen den Willen ihrer verweichlichten Glaubens‑genossen zur Invasion veranlasste. Sie installierten ein religiös‑fundamentalistisches Schreckensregime, wovon Portugal indes nur in geringerem Maße betroffen war.

Der spanische Weinbau (Süden und Zentrum) litt unvergleichlich mehr unter der Herrschaft der religionskonservativen Almoraviden, die ab 1086 herrschten, und danach ab 1147 unter den fundamentalistischen Almohaden. In diesem Jahr hatte der erste portuguiesische König Alfonso Henriques gerade Lissabon zurückerobert. Von Niedergang, Prestigeverlust und Sturz der zentralen almoravidischen Führungsspitze, die in Andalusien schon bald ihre ursprüngliche religiöse Hingabe verloren hatte, profitierten wiederum die andalusischen Regionalherrscher. Es entstand daraus ein neues Schisma – die zweite Generation der (almoravidischen) Taifas; dies betraf in Portugal aber nur die Gebiete Évora, Beja und Silves.

Man findet selbst bei den kleinen Silber‑Kiraten (Münzen) der Almoraviden ebenfalls Trauben und Weinbeeren, so unter Ibn Wazir, kurzfristig König des Taifas von Évora nach 1146 n. Chr. (Abb. 57–59). Es gibt weitere ähnliche Darstellungen von Weintrauben, allerdings ohne Hinweis auf den Herrscher, der vermutlich ebenfalls Ibn Wazir war. Sie erwähnen nur den Mahdi (was auf den Glauben an Allah hinweist). Mahdi Abd Allah – Sohn eines Dieners Gottes – alias Mohammad Ibn Tumart war der puritanische Gründer der fundamentalistischen Linie der Almohaden, die auf wortgetreuer Auslegung des Korans bestanden.

Im Gegensatz dazu fehlt immer ein Hinweis auf den bedeutenden religiösen Führer und Politiker Ahmed Ibn Qasi, Gründer des Zwischenreiches von Mértola. Eine interessante Ausnahme, falls sie wirklich von diesem Führer stammt, ist ein Kirate aus Mértola mit klarer Herkunftsbezeichnung und einer Traube auf der Bildseite und auf der Rückseite nicht weniger als drei. Es scheint Ibn Qasi (Gomes, 2003: 65, A. Q. 01.05), zugeschrieben zu sein, auch wenn wir gerade „im Namen des Herren (Vorderseite)“ und „im Namen des Imams/ Diener des Herrren (Rückseite)“ lesen können, ohne jedoch den Namen des Herrschers zu finden. Diese Ausgabe könnte auch aus der Zeit nach der Niederlage von Ibn Qasi (1145 n. Chr.) und seiner Vertreibung aus Mértola stammen. Die Tatsache, dass er nicht ausdrücklich als Imam bezeichnet wird, legt diese Vermutung nahe.

Zum großen Teil stammen diese Prägungen jedoch aus der Zeit vor der Invasion und Besetzung Andalusiens durch die Almohaden (1146 n. Chr.).

Eine weiteres, anonymes, wohl aus Westandalusien und immer noch aus der Taifa‑Zeit stammendes Kirate hat ähnliche Verzierungen, nämlich ein Traubenpaar. Auf der Rückseite ist ein Vermerk zu erkennen: „Der Herrscher der Crentes“ (Amir Al‑Muminin), was einem Kalifentitel aus der Zeit der Almohaden entspricht, über dem Wort „Badajoz“.

Neben den negativen Einflüssen der Almoraviden und Almohaden auf den Weinbau muss das hohe wissenschaftliche Niveau der arabischen Autoren dieser Zeit hervorgehoben werden, von denen insbesondere die ersten Veröffentlichungen über die iberischen Rebsorten stammen.

Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass der Weinbau mit den Almohaden weiter zurückging. Dies betraf allerdings Portugal weniger. Der Fundamentalismus war eine letzte Gegenwehr gegen den religiösen und militärischen Niedergang der iberischen Mohammedaner und der Almoraviden. Die Machtübernahme der Almohaden in der Zeit von 1147 bis 1269 war jedoch zeitlich beschränkt und ging mit der Schlacht von Navas de Tolosa im Juli 1212 zurück. Portugal war, wie bereits erwähnt, zu dieser Zeit mit Hilfe der Kreuzrittern) weitgehend zurückerobert worden.

Die große Offensive des Almohaden‑Kalifs Abu Ya’qub Yusuf I. 1191 führte zur Rückeroberung eines großen Teils der Gebiete südlich des Tejo mit Ausnahme von Évora. Mit der gescheiterten Belagerung von Santarém schlug diese letztlich fehl, der in der Schlacht verwundete Kalif starb auf der Flucht nach Sevilla.

Danach verloren die islamischen Araber in Portugal alles. Alcácer do Sal fiel 1217, das letzte verbliebene nicht almohadische Taifa‑Reich war die Algarve. Musa Ben Mohammad Ben Nosair Ben Mahfuz, bekannt als Ibn Mahfuz, herrschte in der Zeit von 1233 bis 1261 n. Chr. Er verlor das Reich der Algarve, damals Vasallenstaat des Königs von Kastilien und León, nach der großen Schlacht von Silves 1248.

In Spanien konnte die Miltärmacht der almohadischen Kalifen im 12. und 13. Jahrhundert. noch die islamische Vormacht behaupten. Mit dem Aufruf zum Kreuzzug durch Papst Innozenz III. wurden die kastilischen Truppen verstärkt, und am 16. Juli 1212 verbanden sich christliche Ritter verschiedenster Nationen mit den Truppen von Afonso VIII. von Kastilien, Pedro II. von Aragón, Sancho von Navarra sowie den Portugiesen und Franzosen. In der Schlacht der „Navas de Tolosa“ wurde der 4. Almohaden‑Kalif Mohamed al Nasir vernichtend geschlagen. In den kommenden beiden Jahrhunderten zerfiel die Macht der Sarazenen; Ausnahme war das Königsreich der Nasriden in Granada.

Nach allem glauben wir, dass es eine andalusische Eigenart ist, auf Rebornamente zurückzugreifen. Sie sind auf den quadratischen Dirhamen in Abb. 60 und 61 zu entdecken, die sogar aus der korantreuen Phase der Almohaden stammen. Letztendlich hielt sich auch diese Tradition über drei Jahrzehnte.

– Marqués de Carvalho (1912: 15) erwähnt: „Im Jahre 1147, als Afonso Henriques Lissabon eroberte, konnte man feststellen, dass schon zu dieser Zeit Wein, Salz und Obst die wichtigsten Waren der Umgebung von Lissabon waren.“

Weitere Referenzen über die Existenz von weinbezogenen Fossilien:

– Zitadelle von Mértola, seit den Almoraviden der zweiten Taifas‑Phase einschließlich des Reiches von Ibn Qasi bis hin zum Almohaden‑Reich (11.–13. Jh.), wobei man neben Kernen von Kultursorten hier auch Wildreben fand.

– Schloss von Silves: Aus dem ersten Almoraviden‑Reich bis hin zur ersten christlichen „Konquista“ (Ende des 11. bis zum 12. Jh.); dann von der Rückeroberung durch die Almohaden bis zum almohadischen Taifa des Ibn Mahfuz und endgültiger christlicher Besitznahme (12. Jh. bis 1248); hier wurden fossile Rebkerne gefunden.

– Auch Travessa da Portuguesa, in Setúbal (13. und 14. Jh.) (Pais, 1996).

– Ben Batuda (siehe Abb. 55) reiste Anfang des 14. Jahrhunderts über 25 Jahre durch den gesamten Orient und besuchte dabei die arabischen Länder, Griechenland, Persien, Indien und China. Er beschrieb die vorgefundenen Lebensgewohnheiten, wobei bei folgendem Zitat offensichtlich der Weingenuss im Vordergrund stand: „Nachdem ich in seine Stadt kam, wollte ich den dortigen Sultan Africiato sehen. Das fiel mir nicht leicht, da dieser offensichtlich mit Ausnahme des Freitags (muselmanischer Feiertag mit obligatorischem Moscheebesuch) nicht wusste, inwieweit er Standhaftigkeit dem Weingenuss gegenüber zeigte.“ In seinem Werk spricht er zehnmal von exzessivem Alkoholgenuss und erwähnt darüber hinaus laufend den Wein, Trauben, Rebanlagen, Most und Rosinen (Letztere waren ebenfalls Grundlage zur Dessertweingewinnung).

Abschließend kann gesagt werden: Obwohl der Weingenuss im Widerspruch zu den Bestimmungen des Korans steht, hat sich der Weinbau in Andalusien, vor allem aber in Portugal während aller Phasen der islamischen Herrschaft gehalten. So konnten die alten Rebsorten erhalten bleiben und neue arabische Sorten das genetische Spektrum erweitern.

Ein anderes wichtiges Zeugnis der Toleranz der Sarazenen gegenüber der portugiesischen Weinkultur ist das Werk von Lencastre (1953: 49 ff.), der in chronologischer Folge Hunderte von Dokumenten mit Bezug zum Wein (Freibriefe, Schenkungen, Kaufverträge für Weinberge, Erlässe etc.) in der Zeit von 870 bis zum Ende des Mittelalters erwähnt.

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